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300 Frühchen trafen sich im Klinikum

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300 Frühchen trafen sich im Klinikum Mit einem Gedicht von Hermann Hesse leitete Max Kuchenbecker am Sonnabend das „Frühchenfest“ im Bergmann-Klinikum ein. Dem stattlichen Abiturienten mit Bärtchen und Brille sieht man nicht an, dass er vor knapp 20 Jahren in der 28. Schwangerschaftswoche seiner Mutter mit 1150 Gramm Gewicht zur Welt gekommen war. „Von Jahr zu Jahr gelingt es uns besser, nicht nur das Leben von zu früh Geborenen zu bewahren, sondern ihnen auch eine normale Lebensqualität zu sichern“, erklärte Prof.Michael Radke, Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik. Grundlage dafür bildet das Perinatalzentrum, in dem speziell ausgebildete Geburtshelfer, Kinderärzte, Kinderchirurgen, Humangenetiker und Radiologen im Team zusammenwirken. Es baut auf einer bereits zu DDR-Zeiten geschaffenen Vorgängereinrichtung auf. Einen großen Beitrag zu dieser Erfolgsgeschichte leisten die moderne Medizintechnik, so durch Beatmungsgeräte, und neuentwickelte Medikamente, die beispielsweise das Reifen der Lungen fördern. Die so genannte „sanfte Pflege“ richtet die Behandlungen und die Nahrungsgaben am biologischen Rhythmus der Frühchen aus. Eine hohe Bedeutung misst Radke der Ernährung mit Frauenmilch zu. Die Potsdamer Klinik hat deshalb als eine der ganz wenigen in Deutschland eine „Frauenmilchbank“eingerichtet. Obwohl in der Klinik, auch das ist heutzutage eine Seltenheit, jährlich über 1000 Säuglinge geboren werden, ist der Chefarzt immer auf der Suche nach weiteren Milch-Spenderinnen. Zum zehnjährigen Bestehen des Perinatalzentrums waren fast 300 Frühgeborene zwischen null und 20 Jahren gekommen. Das ist nur ein Zehntel der Kinder, die hier seit 1985 erfolgreich betreut wurden. Als Organisatorin des Festes hatte es sich die Kinderärztin Dr. Hildgard Zeleni nicht leicht gemacht und vorrangig extrem früh, oft schon in der 24. Schwangerschaftswoche, Geborene eingeladen. Nicht immer lassen sich bei ihnen Probleme in der geistigen und körperlichen Entwicklung, der Motorik oder der Sprachbeherrschung ausschließen. Aber auch dann werden sie nicht allein gelassen, sondern im der Klinik angeschlossenen Sozialpädiatrischen Zentrum gefördert. Hilfe erhalten ebenso die Eltern in einer durch Kerstin Piwellek, selbst Mutter eines Frühchens, und die Sozialarbeiterin Ursula Erkens aufgebauten Gruppe. Höhepunkt war eine Besichtigung des Perinatalzentrums. Dass an diesem Tag in erster Linie gefeiert wurde, hinderte den streitbaren Chefarzt nicht daran, den brandenburgischen Gesundheitspolitikern die Leviten zu lesen. Auf Spezialgebieten der Medizin wie eben der Frühchchenbetreuung sei ihr Konzept einer „wohnortnahen Versorgung“ verfehlt. Hier könnten modern ausgerüstete, mit erfahrenem Personal besetzte Zentren viel mehr ausrichten. „Wenn ein Supermarkt mit Billigangeboten lockt, fahren die Menschen 50 Kilometer weit“, meint Radke. Werdende Mütter mahnt der Kinderarzt zu höherer Verantwortung. Nicht alle nehmen mehr die Vorsorgeuntersuchungen wahr, um Risiken für das Ungeborene frühzeitig erkennen und begrenzen zu können. So ist es bei allen Erfolgen in der Frühchenbetreuung noch nicht gelungen, die Rate der Frühgeburten zu verringern. Sie liegt nach wie vor bei sieben Prozent; auf Potsdam und sein Umland bezogen sind das jährlich mehr als 100 Kinder.

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