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Der HFF-Student André Böhm nimmt das Leben durch verschiedene Objektive wahr / Fotografie als stille Kunst

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Der HFF-Student André Böhm nimmt das Leben durch verschiedene Objektive wahr / Fotografie als stille Kunst Von Ulrike Strube Nebenbei, fast unbemerkt gelangt eine rote Schachtel aus der Ledertasche in die Hände. Zögerlich spielen sie mit dem Deckel. Öffnen, schließen. Vorsichtig tasten zwei Finger nach einer Zigarette, befühlen den in weißes Papier gerollten Tabak. Nach einer Weile werden Zündhölzer aus der Jackentasche gezogen und ein einzelnes entnommen. Das Streichholz fährt über die Reibefläche. Eine warme knisternde Flamme entzündet sich und bringt den Tabak zum Glühen, Rauch erfüllt die Luft. André Böhm schaut auf die Zigarette in seiner Hand. „Für die Filmkamera kann ich das Alles inszenieren“, erklärt der Filmstudent. „Verschiedene Akzente können nacheinander gedreht und später aneinandergefügt werden.“ Anders bei der Fotografie. Hier müssen bestimmte Umstände wie Lichteffekte von vornherein stimmen. In diesen Wochen arbeitet der angehende Kameramann an seiner Diplomarbeit, die sich mit musikalisch gestalteten Bildsequenzen und deren psychologischer Wahrnehmung beschäftigt. Anhand Godfrey Reggios Koyaanisqatsi-Trilogie untersucht der HFF-Student den Zusammenhang von den archaischen Filmbildern und der Musik des minimalistischen Komponisten Philip Glass. Es stelle sich die Frage, ob Bilder, so distanziert sie auch sein mögen, mit Hilfe der Montage und der Musik, beim Zuschauer Assoziationen hervorrufen, woraus sich in der Gesamtheit eine Geschichte erkennen lässt. Bereits als Kind entdeckte André Böhm sein Interesse für das Licht. Vielleicht schon im Alter von fünf Jahren, überlegt der gebürtige Leipziger. Beim Betreten einer Wohnung fiel ihm als erstes das Licht ins Auge. „Das Visuelle reizte mich schon damals.“ Später entstanden erste Fotografien. Nach der Wende begann André Böhm mit seinem Objektiv verfallene Fabriken und morbide Architektur aufzunehmen. Warum, wisse er nicht. „Dinge festhalten, die der Veränderung preisgegeben sind“, formuliert er sorgfältig. Ein Stück Zeitgeschichte abbilden, das sei es wohl. In den vergangenen drei Jahren fotografierte der heute 26-Jährige Strukturen. Er zeigt Wasseraufnahmen. Ein Tropfen fällt auf die Oberfläche. Durch den Aufprall entstehen Wellen, strahlenförmige Wassergebilde und kleine Tröpfchen. Rotbläuliches Licht gibt dem Wasser einen gläsernen Schein. Ein Bild entsteht, möglicherweise ein leuchtendes Auge, gar ein gläsern wirkender Stern. Die Palette der Makroaufnahmen ist vielfältig. In Vorbereitung seiner Diplomarbeit stellte André Böhm unter seinem Pseudonym Mönchsleben Fotografien mit Gesteinsaufnahmen, Wasseroberflächen und Blütenausschnitten aus. „Dem Betrachter bietet sich ein Teil eines Ganzen, das er dem großen Ganzen zuordnen muss.“ Seine Blumenfotografien sind inspiriert vom Jugendstil. Besonders der Fotograf Karl Blossfeldt (1865-1932) habe seine Arbeiten beeinflusst. „Die stark vergrößerten Aufnahmen sind aufs Gegenständliche gerichtet, auf organische Formungen und pflanzliche Details.“ Aber auch konstruierte Flächen zogen das Auge des Fotografen an. So finden sich endlos erscheinende Hausverkleidungen, abgeblätterte Hauswände oder gestapelte Rohre, denen er durch Lichteffekte eine ganz eigene Tiefe gegeben hat. Die Fotografie sei für ihn eine stille Kunst, in der er sich selbst verwirklichen kann. Anders die filmische Arbeit, die im Team und in einem festgelegten Rahmen stattfinde. Aus diesem müsse dann das Beste herausgeholt werden. In der Fotografie gebe es nicht den Gegenstand. „Hier lässt man sich treiben, allerdings besteht dabei die Gefahr beliebig zu werden.“ Seine erste Dokumentation drehte der Student über Hannah. Anderthalb Jahre hatte er in der Familie des behinderten Mädchens seinen Zivildienst geleistet. Das Vertrauen und die Nähe zum Mädchen, dessen Körperfunktionen nach und nach schwächer wurden, machten die Aufnahmen möglich. Der sehr persönliche Film über Alltag, Sorgen und Gedanken der Eltern von Hannah wurde Böhms Bewerbungsfilm für die HFF. Mit ihm gewann er 1999 den Hauptpreis und den Publikumspreis beim deutschlandweiten Kinder- und Jugendfilmfestival. Mittlerweile sind unzählige Produktionen im Rahmen seines Studiums, auch fürs Fernsehen, entstanden. Wohin ihn der berufliche Weg einmal führen wird, weiß der seit vierzehn Jahren in Potsdam Lebende noch nicht. Nach seiner Ausbildung stünden Aufträge für eine Berliner Filmproduktion an, die ihn voraussichtlich nach Grönland und auf den Berg Ararat führen werden. Er sei gespannt auf das was kommt . Fast zögerlich bemerkt André Böhm, dass er hoffe, in seiner Arbeit immer mehr eine geistige, als eine materielle Erfüllung zu finden.

Ulrike Strube

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