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Landeshauptstadt: Von Bethlehem nach Potsdam

In der Geburtskirche Jesu entzündet, wird das Friedenslicht von Israel aus nach ganz Europa verteilt. Am Sonntagnachmittag sollte es nach Potsdam gelangen. Doch der Frieden hatte mehrere Stunden Verspätung

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Eigentlich sollte am Nachmittag des dritten Advent das Licht des Friedens aus dem Nahen Osten in Potsdam eintreffen. Aber der Frieden war nicht pünktlich. Wegen massiver Verspätungen bei der Deutschen Bahn blieb auch das Friedenslicht aus Bethlehem auf der Strecke.

Im Jahr 1986 hat der Österreichische Rundfunk (ORF) die Aktion Friedenslicht ins Leben gerufen. Mit diesem europaweiten Weihnachtsbrauch will der ORF seit nunmehr fast 30 Jahren des Friedens in der Welt gedenken. Jedes Jahr entzündet ein österreichisches Kind eine Kerze in der Geburtsgrotte Jesu in Bethlehem. Dieses Mal war es der neunjährige Tizian Ronacher aus Linz, der im November das Licht nach Wien brachte. Solidarität mit den Menschen im Nahen Osten solle mit dem Friedenslicht bekundet werden, heißt es beim ORF. Das diesjährige Motto deshalb: „Friede sei mit dir - Shalom -Salam“.

Nach Deutschland bringen es seit Jahren die Pfadfinderverbände. Die 18-jährige Rebekka Schreiber aus Berlin ist eine von ihnen. Sie hatte sich am vergangenen Donnerstag auf den Weg nach Wien gemacht und war dort bei der sogenannten Aussendungsfeier dabei, als das Kerzenlicht in einer Wiener Kirche unter rund 1400 Menschen verteilt wurde, die es nach ganz Europa weitertragen – und sogar über den Atlantik in die USA. „Das war imposant, in der Kirche waren Leute aus 25 Ländern“, sagt die Abiturientin. „Ich finde es einfach schön, dass ich symbolisch Frieden verbreiten kann“, so Rebekka Schreiber.

Einzig die Deutsche Bahn machte es Rebekka und dem Friedenslicht auf dem Weg in die deutschen Städte nicht leicht. Zum einen sind die Bestimmungen rigide: In Liege- oder Schlafwagen darf es nicht transportiert werden, es muss sich in einem geschlossenen Metallbehälter oder in einem geschlossenen Glas in einem Metallgefäß befinden. Schlafen durfte Rebekka deshalb nicht. Da sie über 18 ist, musste sie Wache schieben – damit das Licht nicht ausgeht und wegen der Sicherheitsbestimmungen der Bahn. „Bei Zuwiderhandlungen muss das Friedenslicht gelöscht werden“, so die Bahn in aller Strenge. „Auch im öffentlichen Nahverkehr gibt es immer wieder Probleme“, sagt Jan-Vincent Barentin vom Verein Christlicher Pfadfinder in Berlin-Brandenburg. „Wenn man ertappt wird, dann heißt es: löschen!“ In München musste es im vergangenen Jahr in der U-Bahn gelöscht werden. Barentin rät deshalb: Wer es etwa durch Berlin tragen will, nehme am besten das Auto. In den öffentlichen Verkehrsmitteln, so der Pfadfinder, „verdeckt man es lieber“.

Zum anderen hat die Deutsche Bahn den Weg des Lichts in diesem Jahr extrem ins Stocken gebracht: Am dritten Advent sollten Rebekka und die drei anderen Berliner und Brandenburger Pfadfinder am Sonntagnachmittag auf dem Berliner Hauptbahnhof ankommen. Doch bereits ihr Nachtzug nach München hatte zwei Stunden Verspätung, die Pfadfinder verpassten ihren Anschlusszug. Im thüringischen Rudolstadt dann noch einmal stundenlanges Warten wegen eines defekten Güterzuges auf dem Gleis. Mehr als sieben Stunden später traf der Zug am Berliner Hauptbahnhof ein.

Während der Zug noch in Rudolstadt auf unbestimmte Zeit auf dem Bahnhof ausharren musste, war Andreas Klingemann mit seinen drei Jugendlichen schon in der St.Elisabethkirche in Berlin Mitte. Dort sollte die Aussendungsfeier stattfinden. Klingemann ist Mitglied bei den Potsdamer Pfadfindern und dafür zuständig, dass das Licht aus Bethlehem in die St.-Peter-und-Paul-Kirche am Bassinplatz gelangt. Doch am Sonntagnachmittag gingen die Potsdamer erst mal leer aus, wie rund 200 andere Menschen, die in die Elisabethkirche gekommen waren, um ihre Kerzen und Laternen an dem Bethlehem-Licht anzuzünden. Viele wollten das Licht mit nach Hause nehmen, sagt Barentin, um die Kerzen am eigenen Weihnachtsbaum anzuzünden.

Doch manchmal dauert es eben länger, bis der Frieden eintrifft – und er geht auch ungewöhnliche Wege. Klingemann hat sich nach Absprache mit seinem Verband umentschieden: Er wird mit den Jugendlichen zum Hauptbahnhof fahren, um direkt am Bahnsteig das Licht zu übernehmen, das die Pfadfinder per Schienenersatzverkehr nach Berlin bringen.

Seit drei Jahren gelangt das Licht aus Bethlehem nach Potsdam. „Für die Jugendlichen ist es ein Erlebnis, eine Flamme zu bringen, die aus dem Heiligen Land kommt“, sagt Klingemann. In den nächsten Tagen wird das Friedenslicht in der St.-Peter-und-Paul-Kirche brennen – und von dort den Weg zu den Potsdamern finden.

Grit Weirauch

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