
© Andreas Klaer
Von Richard Rabensaat: Von Fischen und Schäfern
Jahr der Artenvielfalt: Uni-Forscher untersuchen unter anderem Fische, die sich elektrisch verlieben
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Wenn sich die Nilhechte verlieben, dann funkt es. Die Fische, die wegen ihres langen Rüssels auch als Elefantenfische bekannt sind und die tatsächlich meist im Kongo und nicht im Nil leben, sind bei der Partnerwahl ausgesprochen wählerisch. Kriterium ist dabei die elektrische Anziehung, denn die Fische geben kleine elektrische Stöße von sich. Rund 180 verschiedene Arten erkennen so den elektrisch geladenen Partner.
Einige der hochgeladenen Paarungsprozesse finden auch im Bassin der Universität Potsdam statt, am Fachbereich Biologie. „Die Fische sind ein schönes Beispiel für Artenvielfalt und dafür, wie eine bestimmte Umgebung für eine spezielle Ausdifferenzierung sorgt“, erklärt der Biologe Ralph Tiedemann. Die Vielfalt der Arten und die besonderen Anpassungsprozesse in der Natur sind auch das Thema des „Jahres der Biodiversität“, das die Vereinten Nationen für 2010 ausgerufen haben.
Eine besondere Umgebung sorgt für besondere Arten. Das erklärt auch, warum sich der Nilhecht auf die elektrische Partnersuche verlegt hat: Denn der Kongo führt extrem trübes Wasser. Durch sein eigenwilliges Selektionsverfahren schafft der Fisch es trotzdem, seinen Genpool frisch zu halten und passt sich damit haargenau seiner Umgebung an.
Das gelingt auch anderen Lebewesen. Etwas 15 Millionen verschiedene Arten vermuten Wissenschaftler auf der Erde. Nur 1,8 Millionen davon sind bisher überhaupt bekannt und beschrieben. Dennoch sterben jeden Tag rund 130 Arten aus, viele davon, ohne dass sie überhaupt jemals ein Mensch wahrgenommen hätte.
Dabei hat der Mensch den Artenschwund in den vergangenen Jahrzehnten nach Kräften beschleunigt. Zwischen 1970 und 2000 hat die Gesamtzahl der Arten um 40 Prozent abgenommen, haben die Vereinten Nationen ermittelt. Schuld sind die Klimaerwärmung, die Verschmutzung von Lebensräumen, Überfischung oder Überdüngung.
Immer höhere Erträge in Monokulturen mit immer mehr Dünger erzielen zu wollen, sei wenig sinnvoll, sagt auch die Potsdamer Biologin Jasmin Joshi aus der Arbeitsgruppe zur Biodiversitätsforschung. Ökosysteme seien komplexe Systeme, die sich bei der Ausbreitung und Bestäubung von Pflanzen gegenseitig beeinflussen. „Entscheidend für den Ertrag der Wiesen ist auch die Vielfalt der Arten im Boden und der Pflanzen“, erklärt Joshi. Wie genau das passiert, das wollen die Potsdamer Forscher herausfinden.
Seit 2006 untersuchen sie die Auswirkungen der Artenvielfalt im Detail in drei Gebieten: in der Schorfheide, der Schwäbischen Alb und im Nationalpark Hainich in Thüringen. Es geht um die Wechselwirkungen zwischen Ökosystemen, Bewirtschaftungsweise und Biodiversität. „Wir schauen, was passiert, wenn bestimmte Pflanzen neu im Boden ausgesetzt oder entfernt werden“, beschreibt Joshi den experimentellen Forschungsansatz. Beteiligt sind 185 Wissenschaftler aus 25 Instituten, in Potsdam laufen die Fäden zusammen.
Hat sich eine Pflanze an eine bestimmte Umgebung angepasst, würden sich häufig auch spezielle Feinde oder klimatische Besonderheiten finden, die ihre Dominanz verhindern, erklärt Joshi. Den kaukasischen Bärenklau beispielsweise behindert das kalte Klima seiner Heimat an einer übermäßigen Ausbreitung. Eingeschleppt in Deutschland wuchert das giftige Kraut dagegen prächtig.
Um den Kniffen der biologischen Vielfalt auf die Schliche zu kommen, forschen die Biologen der Universität Potsdam weltweit. Ralph Tiedemann, der Mann mit dem Elektro-Fischen, untersucht die genetischen Besonderheiten das Acker-Schmalwand-Kraut aus dem Himalaya, den Kanaren und aus Deutschland. Die weltweit verbreitete Pflanze hat sich an ganz verschiedene Klimazonen angepasst. Wie genau, das wollen die Biologen heraus finden.
Was sich im Detail in brandenburgischen Hochmooren abspielt, untersucht dagegen das gemeinsame Graduiertenkolleg „klimaplastischer Naturschutz“ der Universität Potsdam und der Fachhochschule Eberswalde. Dabei analysieren die Nachwuchswissenschaftler, wie sich Wollgräser, Sauergräser und Sonnentau in Brandenburg auch im Vergleich zum kälteren Schweden einfügen.
Wichtig für das Gedeihen von Wiesen und Mooren sind aber nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere, unter anderem Schafe. Die vierbeinigen Wolllieferanten fressen nicht nur aufkeimende Sträucher. Sie sorgen auch dafür, dass der Trockenrasen offen bleibt. So können sich Samen verschiedener Pflanzenarten vermischen - die genetische Vielfalt bleibt erhalten. Die EU versucht daher derzeit mit Förderprogrammen, den Schäferberuf wieder attraktiver zu machen. Auch an der Uni Potsdam will man sich um die Schäferei verdient machen, mit einem Projekt zum Thema Pflanzenfresser auf Trockenrasen. Das Patenschaf, das die Forscher vom Fachbereich Biologie dabei unterstützt, hat bei der „Langen Nacht der Wissenschaft“ am Wochenende auf den Wiesen der Universität gegrast.
Richard Rabensaat
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