"Ein Tag in Potsdam": Von Freiheitskämpfern und Kartoffelhauben
Seit zehn Jahren lernen Brandenburger Schüler bei „Ein Tag in Potsdam“ etwas über die Geschichte der Stadt und des Landes. Am Freitag wurde die 50 000. Besucherin empfangen.
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Warum sieht der Landtag in Potsdam aus wie ein Schloss? Was hat es mit der Hausnummer eins in der Straße Am Neuen Markt auf sich? Und wer ist eigentlich Friedrich Wilhelm August von Steuben? All diesen Fragen widmeten sich am gestrigen Freitag 36 Schüler der vierten und fünften Klasse aus der Grundschule Hirschfeld im Landkreis Elbe-Elster. Im Rahmen des Schüler-Bildungsprojektes „Ein Tag in Potsdam – Geschichte erleben“, an dem seit 2006 jedes Jahr Schüler aus dem ganzen Land Brandenburg teilnehmen, besichtigten sie die Landeshauptstadt. Organisiert und gefördert wird das Projekt vom Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HPBG), der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) und der Ostdeutschen Sparkassenstiftung.
„Das ist wirklich eine tolle Sache, da die Eltern so nur den Beitrag von sechs Euro zahlen müssen“, erklärte Jens Marticke, Klassenlehrer der Vierten. Es sei schön, dass die Kinder so die Landeshauptstadt kennenlernen können und dabei etwas über die Geschichte Brandenburgs lernen. „Das hat ja auch immer etwas mit Identitätsbildung zu tun – wo komme ich her, was macht die Leute um mich herum aus.“ Für ihn und seine Klasse war der Besuch auch deswegen etwas Besonderes, weil mit ihrem Besuch gleichzeitig der 50 000. Teilnehmer des Projekts gezählt wurde. Genauer gesagt war es eine Teilnehmerin: Die zehnjährige Phenice Schumacher durfte gestern einen großen Kartoffelkuchen entgegennehmen, den sie später mit ihren Mitschülern als Nachtisch genoss.
„Ich freue mich voll darüber, die 50 000. Besucherin zu sein“, sagte sie und lächelte in all die Kameras, die sich auf sie richteten. Auf den Besuch in Potsdam, vor allem den Rundgang im Neuen Palais zum Abschluss, sei sie gespannt.
Doch bevor es so weit war, stand erst mal eine Führung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall an. Museumspädagogin Dana Kresse führte die Schüler durch die Dauerausstellung „Land und Leute“ und brachte ihnen Geschichte des Landes vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges nahe. Phenice, die selbst Gitarre spielt, findet Musik zwar eigentlich interessanter als Geschichte, war aber trotzdem gefesselt von einem großen Gemälde, das die Familie von Oppen zeigt, deren Familienoberhaupt Georg von Oppen Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts lebte. „Mir ging es dabei vor allem um die Bildkomposition“, erklärt die Museumspädagogin Kresse. „Daran zeigt sich, welche Funktionen auch schon die Kinder in Adelsfamilien einnahmen und dass es eben nicht diese Innigkeit wie auf heutigen Familienbildern gibt.“ Besonders bemerkenswert fand Phenice, welche Rollen die Jungen und Mädchen eingenommen haben. Vor allem, dass die Mädchen schon verlobt wurden, als sie kaum älter waren als sie selbst, habe sie verwundert, wie sie den PNN sagte. Klassenlehrer Jens Marticke war ganz begeistert von der lockeren Art, mit der Dana Kresse den Schülern die historischen Fakten nähergebracht hat. „Es ist ja nicht immer einfach, solche Dinge für Kinder begreifbar zu machen“, sagte er. „Aber sie hat ein Händchen dafür und es geschafft, sie richtig zu packen.“
Nach der professionellen Führung waren die Schüler dann selbst gefragt. Mit Stadtplan, Kompass und einem eigens für den Projekttag entworfenem Arbeitsheft ging es in drei Gruppen durch die Stadt. Dabei erfuhren die Schüler unter anderem, dass der Landtag dem ehemaligen Stadtschloss nachempfunden ist und staunten über die verzierte Eingangstür in der Straße Am Neuen Markt 1, hinter der Wilhelm von Humboldt im Jahr 1767 geboren wurde.
Dass der hinter dem Filmmuseum als Statue festgehaltene General Friedrich Wilhelm August von Steuben ab 1778 im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte, war den meisten auch nicht bekannt. Trotzdem bekam der Alte Markt mit den goldenen Kuppeln des Fortunaportals und des Alten Rathauses weitaus mehr Aufmerksamkeit. „Ist das echtes Gold?“, tönte als Frage gleich aus mehreren Kindermündern, während die Smartphone-Kameras gezückt wurden. Die Kuppel der Nikolaikirche wollten die jungen Besucher dann aber doch nicht erklimmen. „Das ist so hoch und außerdem bekommen wir langsam Hunger“, so eine Schülerin. Phenice hingegen bewunderte das große Kirchengebäude. „Für mich ist das das schönste Gebäude bisher“, sagte sie und fügte hinzu: „Aber auf den Park Sanssouci freue ich mich trotzdem noch ein bisschen mehr.“
Vor dem Besuch des Parks gab es aber erst mal Mittag – und auch das historisch angehaucht: In der Gewölbehalle am Alten Markt wurden zu altertümlicher Kammermusik Kartoffeln mit Kräuterquark gereicht – ganz im Fritz’schen Sinne. Serviert wurden sie von einer Mitarbeiterin in der typischen Tracht einer Kartoffelbäuerin, die sich vor allem durch die gerüschte Haube und die Schürze auszeichnet, wie sie erklärte. Je mehr Rüschen dabei an der Haube waren, desto reicher war die Bäuerin.
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