Landeshauptstadt: Von Lenin über Kafka bis Tucholsky
„Fritz Teppich Verein“ betreut Bücherei mit von Nazis verbotenen Büchern in der Hessestraße
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Heute frage man in der Buchhandlung vergeblich nach dem „Kapital“ von Karl Marx, sagt Herbert Driebe. In der „Brandenburger Bibliothek der im Faschismus verbotenen Bücher“ kann man es einsehen. Dazu eröffnete die Stiftung des Unternehmers Norbert Fiebelkorn in der Hessestraße 19 Räumlichkeiten, die auch vom „Fritz Teppich Verein“ zur Sammlung antifaschistischer Biographien, dem Driebe vorsteht, genutzt werden. Einer dieser Antifaschisten ist Namensgeber Fritz Teppich selbst, mit 92 Jahren sicher der letzte noch lebende Spanienkämpfer, der 1935 gegen Franco in den Krieg zog. Er stammt aus der deutsch-jüdischen Großunternehmerfamilie Wertheim. In der DDR-Zeit war er Journalist bei der Nachrichtenagentur ADN.
Die Regalreihen sind noch dürftig bestückt, aber das wird sich ändern. Nicht nur Marx, Engels, Lenin und Stalin sind willkommen, sondern auch Belletristik von durch die Nationalsozialisten verbotenen Schriftstellern. Allein bei der Bücherverbrennung am 3. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz wurden in 25 000 Exemplaren Werke von etwa 100 Autoren verbrannt, von Brecht bis Kafka, von Heine bis Karl Kraus, von Anna Seghers bis Tucholsky. Sie alle haben ein Anrecht auf einen Platz im der Hessestraße 19 – oder im Stahnsdorfer Buchlager. Mangel an „verbotenen Büchern“ besteht nicht, denn der weitaus größere Teil wurde in der DDR- Zeit wieder aufgelegt. Es liegt an den meist älteren Besitzern, sie der Antifa-Bibliothek zu spenden – die meisten würden sonst in die Tonne wandern. Was antifaschistische Biographien betrifft, will sich der Fritz Teppich Verein nicht auf die Sammlung beschränken, sondern nach eigenen Recherchen auch neue schreiben. Driebe nennt den von den Nazis ermordeten KPD-Stadtverordneten Hermann Elflein, dessen Namen eine Straße in Potsdam trägt. Auch Lebensbilder von DDR- Bürgern will der Verein erstellen; hier weist der Vereinsvorsitzende auf Klaus Steiniger hin, einen Auslandskorrespondenten des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“. Opferbiografien kommunistisch Verfolgter sind nicht zu erwarten, und aus der Vielzahl der in DDR verbotenen Bücher wird keines Platz in den Regalen finden. Dies ist nicht Aufgabe des linksgerichteten, aber parteipolitisch unabhängigen Vereins und könnte von ihm auch nicht geleistet werden. Der 1954 geborene Priebe war Mitglied in der SED-Kreisleitung und der FDJ-Bezirksleitung, Lehrer an der SED-Bezirksparteischule und dann in der Zollverwaltung tätig. 2009 erscheint er als Funktionär der Deutschen Kommunistischen Partei.
Für die „Ladenbibliothek“ sind regelmäßige Öffnungszeiten vorgesehen. Sie kann für Familienfeiern angemietet werden. Auch Vortragsabende gibt es, den nächsten am 7. Mai mit dem linken Journalisten Henning Hagen. E. Hoh
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