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Homepage: Von Mäusen und Menschen

Die Stammzellenforscherin Prof. Maria Wartenberg züchtet in Teltow Zellgewebe

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Das GKSS-Forschungszentrum Geesthacht in Teltow, in dem die Biologin und Physiologin Maria Wartenberg arbeitet, liegt idyllisch in einer gartenreichen Einfamilienhausgegend. In dieser Abgeschiedenheit betreibt die Professorin für Zellbiologie an der Uni Potsdam seit Ostern 2005 Stammzellenforschung. Jene Forschung, auf der in der Medizin große Hoffnungen auf Heilung von Schwerkranken liegen. Allerdings ist die Forschung gerade in Deutschland aus ethischen Gründen sehr umstritten, vom Gesetzgeber werden enge Grenzen gezogen.

Die 42-jährige Forscherin beeilt sich, Missverständnisse erst gar nicht aufkommen zu lassen: „Wir haben keinen Antrag für menschliche Stammzellen laufen und haben auch nicht vor, einen zu stellen.“ Ihre embryonalen Stammzellen stammen von Mäusen. Und selbst einen Tierstall, der vielleicht Tierschutzgegner aufbringen könnte, sucht man vergeblich. „Hier gibt“s keine einzige Maus“, beruhigt Wartenberg. Ihre Zellkulturen schlummern auf eiskaltem flüssigen Stickstoff. Die unbegrenzt vermehrbaren, undifferenzierten Urzellen gehen alle zurück auf eine bereits 1980 gewonnene Kultur.

Im Körper gibt es viele verschiedene Zellarten, die alle auf die noch undifferenzierten Stammzellen zurückgehen. Unter bestimmten Bedingungen entwickelt sich aus einer dieser Stammzellen jede andere Zellenart, ob sie ihre Arbeit in der Haut, im Knochen oder im Hirn versieht. Die Forscherin hat sich auf so genanntes mesodermes Gewebe spezialisiert. In Brutschränken lagern Flaschen mit einer durchsichtigen weinroten Flüssigkeit, die aussieht wie Himbeerbrause. In ihr wirbeln Millimeter große Partikel herum. Diese Zellklumpen sind in-vitro gewonnene Blutgefäß-, Knochen- oder Herzmuskelzellen.

Die Wissenschaftlerin und ihre zehn Mitarbeiter im Labor untersuchen die Entwicklungsbedingungen dieser Zellkulturen. „Nicht 100 Prozent aller Zellen differenzieren sich wie gewünscht“, erklärt Maria Wartenberg. Einige bleiben undifferenziert, andere verwandeln sich sogar wieder in den Urzustand zurück. „Diese Zellen sind im Gewebe das große Risiko“. Das Risiko, das sie meint, ist der Tumor, der Krebs, der beispielsweise bei einer Transplantation des gezüchteten Gewebes ausbrechen könnte. Aus den nichtdifferenzierten Zellen kann artfremdes Gewebe zu wuchern beginnen.

Warum sich einige Zellen so verhalten, ist das große Hindernis in der Zellbiologie, so Wartenberg. Möglicherweise liegen Gründe in der Mikroumgebung einer Zelle, vielleicht sind die Wachstumsfaktoren nicht für alle Zellen einheitlich.

Der Schritt von der Petrischale zur Maus und später zum Menschen ist ein sehr weiter. „Irgendwann müsse am Mausmodell überprüft werden, ob diese in-vitro-Ergebnisse Relevanz besitzen“, sagt Wartenberg. Dazu gibt es schon Kooperationen mit Kliniken in Jena und Gießen, die Tierversuche starten werden.

Für ihre Krebsforschung an der Uni Köln hat die in Naumburg an der Saale geborene Wissenschaftlerin 2002 den Wissenschaftspreis von Nordrhein-Westfalen gewonnen. Sie entwickelte einen in-vitro-Test für Krebspatienten, der über bestehende Proteinresistenzen Auskunft gibt. Diese sind dafür verantwortlich, dass bei einer Chemotherapie die radikalen Wirkstoffe nicht zum Tumor gelangen können. Maria Wartenberg bedauert ein wenig, hier in Teltow nicht mehr so eng mit Medizinern zusammenarbeiten zu können. Am GKSS ist sie hauptsächlich von Chemikern umgeben, schließlich heißt die Forschungseinrichtung „Institut für Polymerforschung“.

Doch das ist kein Widerspruch zur Arbeit der Physiologin. Die Materialien, die hier entwickelt werden, sollen später auch in der Medizin Verwendung finden. An Wartenbergs Zellkulturen soll überprüft werden, wie die einzelnen Gewebearten auf die künstlichen Werkstoffe reagieren. Werden sie abgebaut? Zu welchen Stoffen? Wie schädlich sind diese? Wartenbergs Modelle können hier helfen. Üblicherweise wurden solche Tests mit Tumorzellen durchgeführt. Atypische Kulturen, die allerdings den Vorteil hatten, gut vermehrbar zu sein. „Der schlechteste Experimentator bekommt die nicht zerstört“, so Wartenberg. Mit ihrer Hilfe kann nun die Verträglichkeit an gesundem Gewebe untersucht werden.

Maria Wartenberg kommt aus einer Wissenschaftlerfamilie. Ihre Eltern waren Pflanzenphysiologen, die sie schon als kleines Kind mit ins Labor nahmen. So wie sie auch ihre zehnjährige Tochter in ihrer Kölner Zeit ins Institut mitnahm. Ihr Vater schaffte sich 1952 einen kleinen Weinberg in Naumburg an und forschte in seinem Privatlabor über Krankheiten der Weinrebe. Die Beziehung zum Weinbau und ihrer Heimatstadt ist geblieben. Zusammen mit ihrem Mann, der als Professor in Gießen tätig ist, führt sie am Wochenende einen kleinen Winzerbetrieb. „Es gibt sogar Überschneidungen zu meiner Forschung“, stellt sie lächelnd fest. Das im Wein festgestellte Resveratol, ein den Gerbstoffen verwandtes Polyphenol, kann die Bildung von Tumoren aufhalten. Auch wenn es mittlerweile die Substanz sogar im Internet geben soll, Maria Wartenberg empfiehlt, der Stammzellenforschung noch Zeit zu geben. „Ich würde ausdrücklich vor Selbstexperimenten warnen.“

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