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PYAnissimo: Von Nauru lernen

Ein Bekannter von mir hat vor Kurzem eine Tagung in Potsdam organisiert. Gut 100 Teilnehmer sollten zentrumsnah untergebracht werden, damit sie zwischen den Sitzungen zu Fuß die schöne Innenstadt besuchen können.

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Ein Bekannter von mir hat vor Kurzem eine Tagung in Potsdam organisiert. Gut 100 Teilnehmer sollten zentrumsnah untergebracht werden, damit sie zwischen den Sitzungen zu Fuß die schöne Innenstadt besuchen können. Ohne das Mercure wäre das nichts geworden. Es wird also tatsächlich gebucht. Und ich finde, es stört da wirklich niemanden. Ich habe noch keine Beschwerden von Tieffliegern gehört, denen das Hotel in die Sichtachse geriet. Aber irgendwie ist es im Stellvertreterkrieg gegen sämtliche ostdeutsche Bau-Übel zur absurden Zielscheibe geworden.

Das Ding also soll weg, koste es, was es wolle. Eine halbe Million hat – bisher – das Brainstorming zum Lustgarten gekostet, alles Steuergelder, ausgegeben für Bürgerinitiativen, Beteiligungsverfahren, Expertengutachten und Workshops, weil es so herrlich demokratisch anmutet. Und mit einem großartigen Konjunkturpaket für Flipchart-Hersteller und Tagungsraumvermieter einhergeht. In Potsdam machen wir das nur zu gerne, wenn es heikel wird. Und, Überraschung, am Ende kommt es meist doch genauso, wie es sich irgendein geheimes Planungskomitee schon vor Langem ausgedacht hat. Sehr rücksichtsvoll – kein Stadtverordneter muss sich dann mit unliebsamen Entscheidungen die Finger verbrennen.

Demokratie, im Grunde das älteste Beteiligungsverfahren der Menschheit, erfunden von den Griechen, erprobt in der römischen Republik, ist eben anstrengend und kompliziert. Vielleicht müssen wir das wieder üben. Mein Vorschlag, der nur ein paar klitzekleine Reisekosten verursacht: Praktika in der ältesten Republik, San Marino, oder der kleinsten, Nauru, so ein Inselstaat rechts oben neben Australien. Da leben nur 10 000 Menschen, da muss jeder ran und irgendein politisches Amt erledigen, wenn es klappen soll.

Ein Mercure-Hotel hatten die übrigens auch mal, aus Platzgründen allerdings nebenan in Sydney. Das aber haben sie verkauft, weil Nauru recht abgebrannt war. Die Regierung hatte eine Zeit lang kein glückliches Händchen in finanziellen Dingen, ein bisschen war wohl auch Geldwäsche ein Problem und auch Deutschland zahlte noch bis 2007 jährlich 2,7 Millionen Euro Entwicklungshilfe an das Inselchen.

Ob damit ein Beteiligungsverfahren finanziert wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls: Kein Geld – kein Hotel, keine Diskussionen, die Nauruer hatten das ganz richtig erkannt. Es ist jetzt verkauft, erfreut aber weiterhin Touristen in Sydney, vier Gehminuten vom Hbf entfernt, und sieht nicht viel anders aus als das in Potsdam. Allerdings mit Dachterrasse und Pool. Da kann Potsdam nicht mithalten. Immerhin: Noch steht das Hotel. Hält sich wacker in der umkämpften Zone. Obwohl oder besser weil es schon seit Jahren nicht mehr der Stadt gehört. Die wird demnächst vielleicht eine Klage wegen geschäftsschädigenden Verhaltens an der Backe haben und trotzdem weiterhin Geld, das sie eigentlich nicht hat, dafür ausgeben, den Bürgerwillen jahrelang zu erforschen und zu formen und anschließend das Hotel zu kaufen, um es dann abzureißen. Über so viel irres Gewese würden die in Nauru nur den Kopf schütteln.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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