Landeshauptstadt: Von Potsdam nach Berlin für freies Tibet
Erinnerung an Volksaufstand in Lhasa vor 50 Jahren / Hungerstreik vor chinesischer Botschaft
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Innenstadt - Zu einem Friedensmarsch nach Berlin starteten gestern fünfzig Frauen und Männer tibetischer Herkunft von Potsdam aus. „Wir erinnern damit an den blutig niedergeschlagenen Volksaufstand in Lhasa vor fünfzig Jahren und fordern die Freiheit unseres Volkes“, sagt Leksney Hofheinz, Vorsitzender des Vereins der Tibeter in Deutschland.
Vom Hauptbahnhof kommend, vereinigten sich die Tibeter am Luisenplatz mit der Potsdamer Tibet-Initiative. Temperamentvoll skandierten sie unter ihren bunten Nationalfahnen immer wieder „Free Tibet!" und brachten Hochrufe auf den Dalai Lama aus. Leksney ist in einen traditionellen tibetischen Mantel mit rotem Wollgürtel gehüllt. Der außen erdfarbene und innen prachtvoll farbig gestaltete Stoff soll ihn warm halten beim 24-stündigen Hungerstreik vor der chinesischen Botschaft vom 9. zum 10. März. „Wir wollen mit der Aktion erreichen, dass die Bundesregierung und andere Staaten mehr tun als nur Lippenbekenntnisse für eine freies Tibet abzugeben“. Die chinesische Regierung hoffe, das Tibet-Problem löse sich mit dem Ableben des heute 73 jährigen Dalai Lama. Das sei jedoch ein Trugschluss. Nur durch ihn bestehe die Hoffnung, das Tibet-Problem friedlich zu lösen.
Wie der Vereinsvorsitzende erläutert, führe der Friedensmarsch zunächst über die Glienicker Brücke nach Wannsee. Am heutigen Montag wollen die Tibeter den Firmen Bombardier und Microsoft einen Protestbrief gegen deren Engagement in der Volksrepublik China übergeben. Nach Mahnwache und Hungerstreik vor der chinesischen Botschaft an der Jannowitzbrücke gibt es morgen dort eine Gedenkfeier zum Jahrestag des Volksaufstandes. Laut Leksney Hofheinz leben in Deutschland zirka 500 Menschen tibetischer Herkunft, in Berlin etwa 50 und in Potsdam zwei.
Die Motive der deutschen Initiativen für Tibet reichen von der Parteinahme für den als charismatisch empfundenen Dalai Lama und dessen Mahnung zur Gewaltlosigkeit bis zur Empörung gegen die anhaltenden Repressionen der Chinesen in Tibet. „Das wahre Ausmaß der Unterdrückung und Folter bleibt verborgen, da insbesondere in Hinblick auf den 50. Jahrestag des Volksaufstandes eine vollständige Nachrichtensperre herrscht“, erläutert Ernst-W. Cantner von der Potsdamer Initiative. Cantner hielt einen schwarzen Helium-Ballon mit der Aufschrift „Fünfzig Jahre Unterdrückung in Tibet“ in der Hand. Saskia Liebs, ebenfalls aus Potsdam, hatte eine kleine Tibet-Fahne am Kinderwagen ihrer zweijährigen Tochter befestigt. „Ich habe schon seit meinem zwölften Lebensjahr durch das Buch Heinrich Harrers, der die Unterdrückung durch China beschreibt, große Sympathien für die Menschen in Tibet“, erzählt sie. Der österreichische Bergsteiger und Autor Heinrich Harrer (1912 bis 2006) lebte am Hofe von Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama, und schrieb den Welt-Bestseller „Sieben Jahre in Tibet.“
Am 10. März 1959 sollte der Dalai Lama, geistliches Oberhaupt der Tibeter, entführt werden, worauf tausende Menschen seinen Palast umlagerten, um ihn zu schützen. Es kam zum offenen Kampf mit der chinesischen Besatzungsmacht und der Dalai Lama floh am 17. März nach Indien. Bei der blutigen Unterdrückung des Aufstandes seien zwischen März 1959 und September 1960 laut einem chinesischen Geheimdokument 87 000 Tibeter in und um Lhasa gewaltsam ums Leben gekommen. Günter Schenke
Günter Schenke
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