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Hinterhöfe statt Schlösser. Der Potsdamer Maler Hans-Joachim Weiß stellt ab Freitag im Bürgerhaus am Schlaatz aus.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Von Tropfsteinhöhlen bis in Potsdams Hinterhöfe

Potsdamer Künstler Hans-Joachim Weiß baute früher DEFA-Kulissen und porträtiert heute die Landeshauptstadt

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„Alle malen immer nur die Potsdamer Schlösser“, sagt Hans-Joachim Weiß. Dem Potsdamer Künstler war das zu einseitig. Stattdessen machte er sich, bewaffnet mit Skizzenblock und Stift, auf den Weg durch die Innenstadt zwischen Holländerviertel und Luisenplatz, und erkor dort vor allem versteckte Hinterhöfe und Eckhäuser zu seinen Motiven.

Am morgigen Freitag werden die Früchte seiner Arbeit – etwa 60 lavierte Federzeichnungen und Aquarelle, die auf Grundlage der Skizzen entstanden sind – in einer Ausstellung im Bürgerhaus am Schlaatz zu sehen sein.

Weiß ist in Potsdam kein Unbekannter: Bei der DEFA in Babelsberg machte er nach dem Krieg seine Ausbildung als Bildhauer für Film und Fernsehen und arbeitete dort bis 1959. In vielen der legendären DEFA-Märchenfilme war er für den Bau der Kulissen mitverantwortlich – unter anderem auch bei „Der kleine Muck“. Ein andermal hat er eine ganze Tropfsteinhöhle errichtet. Auch an Propaganda-Filmen musste er mitwirken, doch am liebsten seien ihm immer die Märchenfilme gewesen, erinnert sich der heute 77-Jährige.

Der in Breslau (heute Wrocÿaw in Polen) geborene Weiß war schon als Kind vom Zeichnen begeistert und bannte im Garten seiner Eltern jede Blume und jeden Baum auf Papier: „Ich habe fast mehr gezeichnet als mit meinen Freunden gespielt“, meint Weiß. Seine Zeichensachen hütete er wie einen Schatz, den niemand durcheinander bringen durfte.

Der Krieg setzte dem ruhigen Leben in Breslau jedoch ein Ende: Mit neun Jahren flüchtete Weiß aus seiner Heimatstadt und erlebte aus der Entfernung die Bombardierung von Dresden mit, als er gerade im Zug saß. „Der Zug fuhr in die brennende Stadt ein“, erinnert er sich. Nach einer Reise quer durchs Land kam Weiß 1949 erst nach Caputh, dann nach Potsdam – und blieb dort. Als DEFA-Bildhauer konnte der Jugendliche schnell Erfolge feiern.

Einige seiner Bildhauer-Kollegen hatten damals noch in Westberlin gewohnt. „Die Arbeit der FDJ war bei uns gleich Null – wir hatten durch den Kontakt zu den Kollegen aus Westberlin einfach zu viel vom Westen erfahren.“ Das bereitete ihm später nicht selten Probleme: „Wenn ich von Verwandten im Westen erzählte und sagte: ‚Da sind die Leute nicht alle arbeitslos’, habe ich dafür einige Nackenschläge bekommen.“

Später war Weiß als Kunsterzieher der Förderschule „Schule an der Insel“, tätig, wo er 20 Jahre lang das Schülerprojekt „Asphalt und Kreide“ leitete, das junge Künstler zu Straßenmalereien animierte. Bis heute arbeitet der pensionierte Künstler am liebsten unter freiem Himmel – so wie bei seiner jüngsten Serie. Auf vielen seiner idyllischen Hinterhof-Porträts steht keine Ortsangabe: „Das sollen die Besucher ruhig selber herausfinden“, sagt Weiß. „Sie können hier sozusagen einen kleinen Spaziergang durch Potsdams Hinterhöfe machen.“ In lebendigen, selten exakt geraden Linien hat Weiß die alltägliche Romantik von Orten eingefangen, die man oft gar nicht hinter den Fassaden geschäftiger Shopping-Meilen vermuten würde. Es dürfte nicht die letzte Arbeit von Hans-Joachim Weiß gewesen sein, denn die Zeichen-Leidenschaft hat ihn nach wie vor im Griff: „Wenn ich im Atelier angefangen habe zu malen oder zu zeichnen, muss meine Frau irgendwann kommen und fragen: ‚Willst du nicht mal was essen?’“

Eröffnung der Ausstellung am 16. März um 19 Uhr im Bürgerhaus am Schlaatz im Schilfhof 28. Die Ausstellung läuft bis zum 23. April

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