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Links und rechts der Langen Brücke: Vor dem Rückzug?

Sabine Schicketanz über die Debatte um eine OB-Kandidatur des Linke-Fraktionschefs und ehemaligen Stasi-Spitzels Scharfenberg

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Er war der starke Mann der Linken in Potsdam. Vor knapp acht Jahren wäre er um Haaresbreite ins Potsdamer Oberbürgermeister-Büro eingezogen. 122 Stimmen dünn war der Vorsprung von SPD-Amtsinhaber Jann Jakobs. Heute ist der ehemalige Stasi-Spitzel Hans-Jürgen Scharfenberg vom Regierungsamt in der Landeshauptstadt weiter entfernt als je zuvor. Der zuweilen so verbissen wirkende Polit-Stratege, seit der Wende das Aushängeschild der SED-Nachfolger in der Stadt, steht vor der wohl schwierigsten Entscheidung seiner politischen Laufbahn: Wird Scharfenberg seine Pläne zurückziehen, bei der Oberbürgermeisterwahl im Herbst erneut anzutreten?

Es wäre ihm anzuraten. Scharfenbergs Rückhalt bröselt an allen Ecken und Enden. Ein deutliches Zeichen: Die Strategie des Linke-Kreischefs Günther Waschkuhn, der öffentlich einen „Plan B“ für die OB-Wahl ins Gespräch brachte. Daran wird sich die Debatte der kommenden Tage und Wochen festmachen – selbst wenn die Mitglieder der Linken in Potsdam eine Kandidatur Scharfenbergs mit übergroßer Mehrheit unterstützen würden. Gerechnet wird seit der Zeitenwende in Brandenburg, seit dem missglückten Start der rot-roten Regierungskoalition, in anderen Kategorien. Die Diskussion darüber, ob ein ehemaliger inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit ein Regierungsposten in der Landeshauptstadt übernehmen darf, hat bereits jetzt eine Eigendynamik, bei der niemand das Heft des Handelns in der Hand hat. Dies ist eine politisch bedrohliche Situation: Für die Linke, für die Stadt, für Scharfenberg.

Die Linke rechnet zu Recht damit, dass eine andauernde mediale Auseinandersetzung über Scharfenbergs Vergangenheit in ihren Reihen vor allem eines bewirken wird: eine Solidarisierung mit dem potenziellen Kandidaten. Dies läuft der dringenden Notwendigkeit zuwider,innerhalb der Linken landesweit Aufarbeitung zu betreiben. Für Potsdam grenzt eine Kandidatur Scharfenbergs ohnehin an eine Zerreißprobe. Der Linke polarisiert, an ihm entzündet sich der Klassenkampf, die mögliche Spaltung der Stadt in Arm und Reich. Erhöht sich diese Spannung um eine Entscheidung über Moral und Vergangenheit, wird sie explosiv.

Nicht zuletzt würde Scharfenberg selbst, der sich um die Entwicklung Potsdams zweifelsohne Verdienste erworben hat, Schaden nehmen. Allerdings: Er hat es selbst in der Hand.

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