Landeshauptstadt: Vor den Toren der Metropole
Kleinere „Second Cities“ wie Potsdam gewinnen laut Trendforscher Andreas Steinle an Beliebtheit
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Potsdam gehört zu den attraktivsten Städten Deutschlands. Das ist so weit nichts Neues, immerhin lag die Landeshauptstadt 2011 nach einer Umfrage des Magazins Focus auf dem vierten Platz der lebenswertesten deutschen Städte. Doch warum das so ist, erklärt der Trendforscher Andreas Steinle von der Zukunftsinstitut GmbH im hessischen Kelkheim: „Potsdam gehört zu den sogenannten ‚Second Cities’, also kleineren Städten, die vor den Toren großer Metropolen wie zum Beispiel Berlin liegen.“ Diese Sorte Städte – zu denen laut Steinle auch Augsburg in der Nähe von München oder Lüneburg bei Hamburg zählen – werden für immer mehr Menschen attraktiver.
Weiterhin gebe es den Trend zur Urbanisierung, so Steinle. Durch das Wachstum der großen Städte seien diese auch näher an die kleineren Orte in der Umgebung herangerückt, nicht nur räumlich, sondern auch in Sachen Verkehrsanbindung. „Natürlich gibt es immer Großstadtfetischisten, aber viele Menschen suchen vor allem den richtigen Mix aus Arbeit, Wohnen und Freizeit.“ Günstige Mietpreise, nahe gelegene Schulen und genügend Kita-Plätze sind entscheidende Argumente für den Umzug in kleinere Städte, aber auch Aspekte wie Lebensqualität und die Nähe zur Natur werden immer wichtiger.
„Viele Berufstätige sitzen den ganzen Tag vor dem Computer, daher gibt es in letzter Zeit eine erhöhte Sehnsucht nach der Natur“, so Steinle. Da hat eine an Gärten und Parks reiche Stadt wie Potsdam natürlich gute Karten, aber auch Berliner wollen mehr Grün in ihrer Nachbarschaft haben, wie sich an Urban-Gardening-Projekten wie den gemeinschaftlich bewirtschafteten Prinzessinnengärten in Kreuzberg zeigt. Steinle weist besonders auf die vielen Seen und Flüsse in und um Potsdam herum hin: „Das ist natürlich besser als ein großer, überfüllter Stadtsee.“ Die Faszination, in der Nähe von Wasser zu wohnen, habe laut Steinle in den letzten Jahren zugenommen, als Beispiele nennt er die Hafen-City in Hamburg und die schwimmenden Städte in den Niederlanden. „Wasser wird als neuer Wohnraum entdeckt“, ist der Trendforscher überzeugt, „Wasser hat etwas Beruhigendes und wirkt entschleunigend.“
Andreas Steinle bezieht seine Aussagen unter anderem auf Ergebnisse einer Studie des Zukunftsinstituts, bei dem junge Menschen nach ihren Lebensentwürfen gefragt worden sind: 56 Prozent glaubten demnach, sie würden in zehn Jahren in einer größeren Stadt leben, obwohl 82 Prozent sagten, sie wollen im Eigenheim wohnen. In einer Großstadt ist das schwierig, doch in den Second Cities gibt es dafür gute Möglichkeiten. Zudem seien die vom amerikanischen Ökonom Richard Florida aufgestellten „Drei T’s“ – Technologie, Toleranz und Talent – entscheidend für die Attraktivität von Städten, sagt Steinle: „Talent hat Potsdam durch die Universitäten und Wissenschaftsstandorte, Technologie bedeutet gute Infrastruktur, was für Potsdam auch gilt.“ Ob eine Stadt tolerant sei, lässt sich hingegen nicht so leicht messen, ein Indikator sei laut Steinle aber der Anteil an ausländischen Studierenden; an der Universität Potsdam beträgt dieser derzeit rund zehn Prozent.
Eine Stadt, die viele Gemeinsamkeiten mit Potsdam hat, ist das etwa 40 Kilometer von Hamburg entfernte Lüneburg: Die 73 000-Einwohner-Stadt hat eine renommierte Universität, viele junge Einwohner, eine schöne Innenstadt und liegt nah an der Natur. Außerdem sind die Mietpreise nur halb so hoch wie in Hamburg. Das ist im Verhältnis zwischen Potsdam und Berlin nicht ganz der Fall, denn: „Der Promi-Status Potsdams verleiht der Stadt noch mal besonderen Glanz“, sagt Andreas Steinle, „das führt natürlich zu ungünstigen Entwicklungen im Mietniveau, aber insgesamt profitiert die Stadt davon.“ Es gehöre zu den größten Herausforderungen von Städten, der Vielfalt ein Zuhause zu geben, so Steinle: „Also auch denen, die nicht so viel verdienen.“ Im Vergleich zu Hamburg oder München stehe Potsdam in dieser Hinsicht laut Steinle aber noch relativ gut da. Erik Wenk
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