Von Erhart Hohenstein: Vorfristig nach Hause geschickt
Vor 20 Jahren, am 6. März 1989, entstand Städtepartnerschaft Bonn–Potsdam
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Der 6. März war im „Wendejahr“ 1989 der Tag des Inkrafttretens der Städtepartnerschaft zwischen Bonn und Potsdam. Doch das Jubiläum wird in keiner der beiden Städte begangen. Für den Bonner Potsdam-Club kündigt der Vorsitzende Holger Hindorf zum 24. März eine Gesprächsrunde zum „Mauerfall“ an, für die er das frühere SED-Politbüromitglied Günter Schabowski verpflichtet hat. Der Bonn Club Potsdam wird am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Wiedervereinigung, im Nikolaisaal ein Konzert veranstalten und Gäste aus Bonn einladen.
Sein Vorsitzender Wigor Webers wies drauf hin, dass der Vertrag über die Städtepartnerschaft bereits am 26. Januar 1988 in Potsdam unterzeichnet wurde. Darauf ist in Bonn im Vorjahr im Haus der Geschichte reichlich verspätet auf einer Feier zum 3. Oktober hingewiesen worden, an der auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs teilnahm. Er konnte immerhin geltend machen, dass die Verbindung Bonn - Potsdam im Gegensatz zu den anderen deutsch-deutschen Städtepartnerschaften weiterhin besteht.
Die mehr als einjährige „Eiszeit“ zwischen der Erstunterschrift in Potsdam Anfang 1988 und der Gegenzeichnung am 6. März 1989 in Bonn gehört allerdings zu jenen Vorgängen, die die Problematik der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten verdeutlichen. Prämissen für die Städteverbindung hatte SED-Chef Erich Honecker bereits 1987 bei seinem Staatsbesuch in der Bundesrepublik gesetzt. Mit seinem Vorschlag einer Partnerschaft Bonn - Berlin stieß er allerdings auf Granit, denn dies hätte für die Bundesregierung die Anerkennung Ostberlins als Hauptstadt der DDR bedeutet. Also einigten sich beide Seiten auf Potsdam.
Bei seinem Besuch in Potsdam hatte Bonns Oberbürgermeister Hans Daniels laut BNN erklärt, die „bestehenden Unterschiede der gesellschaftlichen Systeme sollten nicht verwischt oder verschwiegen werden, stellten aber kein Hindernis für eine Partnerschaft“ dar. Dieser Prämisse folgend, kritisierte er nach der Vertragsunterzeichnung am 26. Januar 1988 das Vorgehen der SED-Obrigkeit gegen die Bürgerrechtler, die kurz zuvor bei der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung in Berlin eine Demokratisierung der DDR gefordert hatten.
Der entscheidungsscheue Oberbürgermeister Winfrid Seidel ließ das Besuchsprogramm zunächst weiterlaufen, auf Anweisung der SED-Führung wurde die Bonner Delegation dann aber am 27. Januar vorfristig nach Hause geschickt. Tags zuvor hatte es durch den Fernsehjournalisten Reinhard Appel noch eine ZDF-Livesendung aus Potsdam und im Künstlerclub „Eduard Claudius“, dem heutigen Spielcasino, ein Bürgergespräch mit Daniels gegeben. Fortan aber wurden alle vereinbarten Vorhaben, vom fachlichen Austausch unter anderem über Stadtentwicklung und Architektur, bis hin zu gegenseitigen Besuchen durch Bürgergruppen komplett eingefroren. Erst die am 6. März 1989 - also vor 20 Jahren - in Bonn erfolgte Gegenzeichnung eröffnete die Chancen für eine lebendige Städtepartnerschaft, die auch mit finanziellen Hilfen Bonns für Potsdam verbunden war.
Die Marketing-Chefin der Stadtverwaltung, Gudrun Sommer, weist berechtigt darauf hin, dass diese Unterstützung und der kulturelle Austausch erst nach der Grenzöffnung im November 1989 voll wirksam werden konnten. Deshalb sei auch für sie der Vollzug der Städtepartnerschaft am 6. März 1989 kein prägendes Jubiläumsdatum. Unmittelbar nach dem Mauerfall waren Oberbürgermeister Hans Daniels und andere Bonner Politiker nach Potsdam gereist. Ihre erste Station war nicht die Stadtverwaltung unter dem von der SED gestellten Oberbürgermeister Manfred Bille. Vielmehr suchten die Gäste aus der damaligen Bundeshauptstadt zunächst die Redaktion der „Neuesten Nachrichten“ auf, um sich über den Verlauf der friedlichen Revolution in Potsdam zu informieren.
Erhart Hohenstein
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