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MEINE Woche: Vorgespulte Welt

Je nach Perspektive kann man sicherlich alles bewundern oder verachten. Bahnhöfe haben auf mich die seltsame Wirkung, abstoßend und anziehend zu wirken.

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Je nach Perspektive kann man sicherlich alles bewundern oder verachten. Bahnhöfe haben auf mich die seltsame Wirkung, abstoßend und anziehend zu wirken. Dort, wo sich die scheinbar schmuddelige Bahnhofsluft mit dem Gefühl des Unterwegsseins vermischt, gibt es immer etwas zu sehen, ärgern, fühlen, freuen. Die gackernde Mädchengruppe, der Mann im Anzug, die Mutter mit quengelndem Kind, alles trifft sich am Gleis. Wartet gemeinsam.

Letztes Wochenende hatte ich mal wieder das Vergnügen, den Nahverkehr der Deutschen Bahn „in vollem Zuge“ zu erleben. Im Gegensatz zu ICE oder Flugzeug dauert es auf diesem Wege zwar ein paar gefühlte Zeitalter, bis man sein Ziel erreicht, dafür gilt es, Einiges aufzuschnappen und daraus seinen Nutzen zu ziehen.

Das Wochenendticket, inzwischen von 25 Euro auf 37 Euro verteuert, verbindet nicht nur das Streckennetz der Bahn, sondern auch die darauf Reisenden, die sich den Ticketpreis oft teilen, dritteln, fünfteln. Mit denen man für ein paar Stunden zusammensitzt, bevor jeder wieder seines Weges geht. So wie Alex aus Gera, der mir von seiner beginnenden Fluglotsenausbildung erzählte, oder Benni aus Kroatien, der jeden Monat zwischen München und Berlin pendelt. Auf einer langen Fahrt kommt oft Einiges an Zwischenmenschlichkeit zustande.

Lange Zugfahrten erschienen mir früher immer als Zeitverschwendung, denn natürlich hätte man Besseres zu tun. Doch hätte ich das wirklich? Es gibt nicht viele Orte, an denen ich so gut nachdenken kann, wie auf langen Bahnfahrten. Ich denke dann an Personen, an die Orte, zu denen ich gerade fahre, von denen ich gerade komme und denke, dass es vielleicht sogar langsamer vorfreudiger Anfahrt bedarf, um diese zu würdigen.

Der Blick schweift nach draußen, auch die Gedanken. Bäume rasen vorbei, die Augen schweifen mit, aber kommen nicht ganz hinterher, so, als ob die Welt draußen vorgespult wird. Der Blick fällt auf Felder, Bausiedlungen, auf sich selbst, gestern und morgen.

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