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Links und rechts der Langen Brücke: Vorsicht, Polit-Kabarett

Henri Kramer über Stadtpolitiker, die in Wahlkampfzeiten nicht immer einen kühlen Kopf bewahren können

Stand:

Grotesker hätte es der neue Potsdamer Theaterintendant Tobias Wellemeyer in einer fiktiven Komödien nicht inszenieren können. Da kippt Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) jüngst ein Garagensicherungskonzept. Daraufhin empört sich sein Linke-Kontrahent Hans-Jürgen Scharfenberg und spricht markig: „Jetzt ist Krieg.“ Was wiederum den ehrgeizigen SPD-Fraktionschef Mike Schubert zu einer betroffenen Stellungnahme drängt: „Scharfenbergs Wortwahl ist eine unfassbare Entgleisung! Anscheinend weiß er nicht was er redet. Ich habe im Kosovo gesehen, wie es nach einem Krieg wirklich aussieht.“ Auch Filme über den Zweiten Weltkrieg wird Schubert schon gesehen haben – und doch steht die Frage im Raum: Übertreiben es die beiden Politiker nicht? Und steht Potsdam vor einem halben Jahr Kommunalwahlkampf auf allerhöchstem Erregungsniveau?

Just in dieser Situation, in dem verbale Ausrutscher (Krieg) auf Elefantengröße (Kosovo) aufgeblasen werden, haben gestern die Verwaltung und andere Institutionen der Stadt eine Imagekampagne vorgestellt, mit der die Potsdamer dazu aufgerufen werden, sich in deutlich größerer Zahl an der Kommunalwahl zu beteiligen als noch 2003, als noch nicht einmal mehr die Hälfte aller Wahlberechtigten an die Urnen fand. Postkarten an alle Haushalte mit einem gemeinsamen Aufruf aller demokratischer Parteien sollen dies nun ändern; und eine pfiffige Internet-Aktion für junge Erstwähler, die über Monate hinweg das Interesse an Stadtpolitik wecken soll. Doch wird allein das nützen?

Wichtiger noch als solche Kampagnen sind glaubwürdige Politiker, die erst denken und dann handeln. Dass es so etwas in dieser Landeshauptstadt gibt, steht fest: Etliche wichtige Projekte sind in den vergangenen Jahren angeschoben wurden, die Stadt blüht und gedeiht an vielen Stellen. Und doch gibt es oft endlose Streitereien, die von Parteitaktik überlagert sind. Vielleicht muss eine von so knappen Mehrheiten regierte Stadt damit leben? Immerhin hat schon im vergangenen April die SPD auf einer Sitzung ihren Wahlkampf für eröffnet erklärt – und die Linke ist offenbar darauf eingestiegen. Seitdem bestimmen neben Sachdiskussionen sich stetig steigernde Giftigkeiten die Atmosphäre, sei es in der Stadtverordnetenversammlung oder in Diskussionen. Wünschenswert wäre, die Politiker würden ihre klaren Köpfe behalten – oder sie sich wenigstens nicht noch heißer reden. Wird dieser Wunsch nicht wahr, bleibt nur zu hoffen, dass Potsdams Wähler sich über die politischen Brachial-Angriffe zu diesem frühen Zeitpunkt nicht allzu sehr entsetzen. Sonst hätte das viele Geld für die Imagekampagne auch gleich in ein Polit-Kabarett investiert werden können.

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