Landeshauptstadt: Vorwürfe gegen die Stadt
Uferweganrainer wollten sich gegen Willkür wehren
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Griebnitzsee - Anrainer, die den umstrittenen Uferweg zwei Tage lang absperrten, erheben nun schwere Vorwürfe gegen die Stadt. „Die Verwaltung trickst und dealt, nichts geht geradeaus“, sagte gestern Abend Anrainer und Rechtsanwalt Kay Jacobsen bei einem Pressegespräch. Das sei auch der Grund für die Sperrung gewesen: „Der Weg ist nicht mehr das Thema, es geht darum, wie die öffentliche Hand mit Bürgern umgeht.“ Dagegen hätten sich die Anrainer zur Wehr setzen wollen. Es sei ein legitimes Anliegen für eine Kommune, einen öffentlichen Weg durchsetzen zu wollen – „aber dafür gibt es Regeln.“ An diese halte sich die Stadt seit 1991 nicht.
„Trickserei“ warf Jacobsen der Verwaltung gestern auch im Zusammenhang mit dem ersten Kompromiss vor, der 2005 ausgehandelt worden war. Damals hatten zunächst nahezu allen Anwohner der Virchowstraße zugestimmt, der Stadt das Wegerecht einzuräumen und den Weg auf eigene Kosten näher ans Ufer zu verlegen. Dafür sollten sie ihre Gärten ausdehnen und mit einer bis zu 1,50 Meter hohen Mauer abgrenzen können – vier Anrainer haben dies bis heute umgesetzt. Der Kompromiss hatte sich jedoch laut Jacobsen für die Mehrzahl der Anrainer erledigt, als ihnen bekannt wurde, dass die Stadt den Uferweg als Radweg beworben hatte – entgegen der weiter aktuellen Forderung der Anrainer, das Radfahren auf dem Weg zu verbieten und ihn nachts aus Sicherheitsgründen zu schließen.
Hintergrund des Konflikts am Griebnitzsee ist der ungeklärte rechtliche Status des Uferwegs. Er verläuft auf dem ehemaligen Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen und somit über 34 Grundstücke, die im Nationalsozialismus oder im Zuge des Mauerbaus enteignet worden waren. Den heutigen Eigentümern gehört seit der Rückübertragung die komplette Grundstücksfläche und damit auch der Uferweg. Die übrigen 50 Ufer-Grundstücke sind mehrheitlich im Besitz des Bundes. Die Stadt vertritt den Standpunkt, dass es sich um einen öffentlichen Weg handelt – die Anrainer um Jacobsen sehen sich in ihrem Eigentum beschnitten. Eine wegweisende juristische Entscheidung soll Anfang Dezember fallen: Dann wird darüber verhandelt, ob es nach Naturschutzgesetz ein Betretungsrecht für den Uferweg gibt – darauf setzt die Stadt. Maßgeblich ist außerdem, ob die Stadtverordneten am 7. November den Bebauungsplan „Griebnitzsee“ beschließen. Jacobsen vermutet, dass die Stadt den Bebauungsplan nach dem Beschluss „in der Schublade verschwinden lässt“. Denn wenn der Bebauungsplan durch Veröffentlichung tatsächlich in Kraft tritt, „werden Schadenersatzforderungen kommen“, so Jacobsen. Mit dem Bebauungsplan hat die Stadt auch die Kosten für den „öffentlichen Uferpark“ kalkuliert: Um die Uferflächen vom Bund zu kaufen, wären mindestens 200 000 Euro nötig; die Planung kostet 100 000 Euro, der Wegebau bis zu einer Million Euro und die Pflege des Parks jährlich 68 000 Euro. Sollte es keine Kompromisse geben, würde die Stadt laut Jakobs auch vor Enteignungen nicht zurückschrecken. Für 11000 Quadratmeter privater Uferflächen könnten laut Stadt Entschädigungen von 1,27 Millionen Euro fällig werden – die Anrainer gehen laut Jacobsen von einer weitaus höheren Summe aus. Seit gestern können Uferweg-Befürworter für diese Vorhaben der Stadt Geld spenden: Dazu ruft die 15-jährige Babelsberger Schülerin Matilda von Gierke im Internet auf (www.buerger-helfen-der-stadt-potsdam-am-griebnitzsee.de). Sie hatte zuvor mit Hilfe ihrer Schule einen gemeinnützigen Verein gegründet. Sabine Schicketanz
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