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Elegante Blütenstände. Das Tränende Herz zählt zu den Mohngewächsen.

© MB

Homepage: Vorzüglich für Schnitt und Treiberei

Das Tränende Herz ist gar nicht so traurig

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Im Botanischen Garten der Uni Potsdam wachsen exotische und heimische Pflanzen. In den PNN stellt Kustos Michael Burkart jeden Monat eine von ihnen vor.

Im 18. Jahrhundert war es eine Zeit lang Mode, sich Nachrichten per Blumenstrauß zu senden. Es war die Zeit des Rokoko, und der adelige Nachwuchs experimentierte mit amourösen Botschaften. Eine Iris stand für unverbrüchliche Treue, ein Strauß Veilchen für Bescheidenheit und eine Primel für Zufriedenheit – oder für unschuldige Jugend, das Veilchen für Jungfräulichkeit und die Iris oder Schwertlilie für Sieg.

Je nach verwendetem Code konnte die Nachricht also ganz unterschiedlich gelesen werden. Die Deutungen orientierten sich dabei oft an bekannten Eigenschaften der Pflanzen: Die Bescheidenheit korrespondiert mit den ärmlichen Standorten, an denen Veilchen gedeihen, der Sieg mit den schwertförmigen Blättern der Schwertlilie. Es ist ein Jammer, dass das Tränende Herz (Lamprocapnos spectabilis) erst Mitte des 19. Jahrhunderts in die europäische Gartenkultur eingeführt wurde, als diese Mode längst wieder vorbei war. Die aufgereihten rosaroten, herzförmigen Blüten, jede mit einer schneeweißen Träne versehen, hätten die Botschaft „Mein Herz weint alle Tage nach Dir“ ebenso vortrefflich verkörpert wie „Du Brecher sämtlicher Herzen kannst mir gestohlen bleiben“. Gar nicht auszudenken, welche Missverständnisse sich damit hätten heraufbeschwören lassen.

Die eleganten Blütenstände eignen sich in der Tat vorzüglich für Schnitt und Treiberei und finden sich, so gesehen, überraschend selten im Schnittblumensortiment. Im Garten können die Pflanzen am zusagenden Standort recht alt werden. Zur Wachstumszeit stets ausreichend Feuchtigkeit und Nährstoffe im Halbschatten werden bevorzugt. Gestalterisch ist zu berücksichtigen, dass das bläuliche, fein zerteilte Laub nach der Blüte im Mai schon im Sommer wieder einzieht; später kommende Nachbarn wie Rodgersien und Silberkerzen, Farne und Gräser können dann die Lücke füllen.

Den wissenschaftlichen Namen hat die Pflanze schon öfter gewechselt. Sie gehört zu den Mohngewächsen und dort in die nähere Verwandtschaft von Erdrauch und Lerchensporn, und als Erdrauch („Fumaria spectabilis“) wurde sie 1753 von Linné zuerst benannt. Bei ihrer Wiedereinführung im 19. Jahrhundert hieß sie Diclytra spectabilis, zwischendurch auch Corydalis spectabilis, dann bis vor Kurzem Dicentra spectabilis. Eine Studie zeigte vor 20 Jahren jedoch, dass die Pflanze in mehreren, auch genetischen Merkmalen deutlich von ihren näheren Verwandten abweicht und deshalb besser in eine eigene Gattung Lamprocapnos gestellt wird. Dieser Name bedeutet „Glanzvoller Rauch“ und bezieht sich auf Fumaria (Erdrauch) und die schönen Blüten. Die Umbenennung ist in der Wissenschaft weitgehend akzeptiert, aber Liebhaber und Gärtner folgen nie so schnell. Auch im Botanischen Garten müssen die Etiketten mit dem neuen Namen erst noch gefräst werden. Michael Burkart

Michael Burkart

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