Landeshauptstadt: Wächter am Stern
Revierpolizist Rainer Orlowsky ist für Potsdams größtes Plattenbaugebiet zuständig
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Stern - Laute Musik, betrunkene Jugendliche unterm Sternenhimmel, Glasscherben am Tag danach: Im Frühsommer ärgerten sich die Bewohner am Keplerplatz jedes Wochenende über Szenen, die sie dort vor dem Café „Moonlight“ beobachten konnten. Die Kneipe lockte mit billigen Getränken und zog schließlich sogar rechte Jugendliche an, Schlägereien waren die Folge. Nicht nur wegen der Jahreszeit ist es nun wieder ruhig. Rainer Orlowsky erzählt die Geschichte, weil er sie als zuständiger Revierpolizist erlebt hat: Die Polizeieinsätze über zwei Monate, die Gespräche mit dem Betreiber. „Die Situation haben alle Beteiligten gemeinsam gelöst“, sagt Orlowsky.
Die Zeit kurz vor dem Jahresende scheint für den 59 Jahre alten Potsdamer eine Chance zum Durchatmen. „Natürlich sind die Leute im Sommer mehr draußen“, sagt Orlowsky. Für rund 5000 Potsdamer ist Orlowsky ihr Ansprechpartner als Revierpolizist für den Stern. Knapp ein Zehntel aller Straftaten in der Stadt werden hier begangen, laut Statistik nimmt die Kriminalität zu. Im ersten dreiviertel Jahr von 2008 liegen die Zahlen für Körperverletzung, Sachbeschädigung und Betrug schon über den Gesamtwerten für 2007. So gab es am Stern bis Oktober diesen Jahres schon 76 Gewaltdelikte, 72 waren es 2007, 2006 nur 65. Auch die Zahl der Sachbeschädigungen nimmt zu: 262 gab es 262 Anzeigen, 2007 schon 292, jetzt sind es bereits 322. Ein Trend, der aber auch für ganz Potsdam gilt.
Deswegen will Orlowsky den Plattenbau-Stadtteil auch nicht als Schwerpunkt für Kriminalität verstanden wissen: „Verwahrlosung gibt es nur punktuell“. Er redet lieber über Gegenmaßnahmen. „In Treffen mit Bürgern, der Verwaltung und den Einrichtungen hier vor Ort reden wir über Probleme und versuchen Lösungen zu finden“, erklärt Orlowsky eine Möglichkeit, Kriminalität zu bekämpfen.
Zustimmung zu diesem Vorgehen kommt vom Kindertreff am Stern. „Man kennt sich, davon profitieren wir bei Problemen“, sagt Hausleiter Tobias Klein. Als Beispiel nennt er den Sexualtäter, der sich im Sommer in Potsdamer Plattenbau-Gebieten an mehreren Jungen zwischen fünf und acht Jahren verging. „Da gab es kurze Wege bei Fragen, wie wir uns verhalten sollen“, lobt Klein und meint Orlowsky. Schließlich wurde der Sexualtäter von der Kriminalpolizei gefasst.
Öfter als mit solch klassischen Kriminalfällen muss sich Orlowsky allerdings um ganz gewöhnliche Dinge in seinem Stadtteil kümmern. Etwa um Alkoholiker, die schon morgens ein Bier in der Hand haben und allein dadurch Anwohner verärgern. Orlowsky spricht mit ihnen allen. Und versucht den Ausgleich: „Man kann diese Leute ja nicht einfach wegschicken.“ Einmal hat es gereicht, einfach eine Bank etwas weiter entfernt von einem Haus zu platzieren, dass Beschwerden von Anwohnern aufhören. „Solche Dinge müssen ohne Zwang funktionieren. Gleichzeitig sollen sich die Leute in ihrem Stadtteil wohl fühlen.“ Das ist seine Maxime als Revierpolizist, der sich neben normaler Polizeiarbeit auch die Sorgen der Anwohner anhört. „Da muss man sich Zeit nehmen.“
Und manchmal erledigen sich Probleme von selber. Etwa die Sache mit den Flaschen, die diesen Sommer mehrmals aus einem Fenster des Hochhauses am Kepler-Platz 2 flogen und vor dem Solarium darunter zerschellten. Einmal verletzte sich ein Kunde. „Wir haben regelmäßig auf der Lauer gelegen, aus welchem Fenster das kam – doch gerade dann flog nichts“, sagt Orlowsky. Dazu gab es Gespräche im Haus, immer weniger Wohnungen kamen in Betracht. Doch plötzlich riss die Serie ab, so der Revierpolizist: Ein natürlicher Todesfall setzte dem Flaschenwerfen ein Ende. Henri Kramer
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