
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Wackelkandidat Landtagsschloss
Ausgrabungen, unsicherer Baugrund und Grundwasserprobleme – Gründe für den Zeitverzug beim Parlamentsneubau gibt es viele
Stand:
Innenstadt - Die Eröffnung des Landtagsschlosses wird nicht zum ersten Mal verschoben. Die Liste der Probleme und Pannen ist lang. Ein Überblick:
ARCHÄOLOGISCHE GRABUNGEN
Bereits kurz nach dem ersten Spatenstich im März 2010 bewegte sich auf der Baustelle monatelang nichts. Der Grund waren erneute archäologische Ausgrabungen auf dem Grundstücksteil, auf dem die historische Kutschauffahrt wieder erstehen soll. Die Stadt hatte die Grabungen in der Baugenehmigung zur Bedingung gemacht – die BAM legte Widerspruch ein. Ein halbes Jahr lagen die Bauarbeiten auf Eis. Zugleich mussten 99 Bohrpfahlgründungen in den morastigen Boden gebracht werden, denn der Landtag steht auf Stelzen. Damit sollen die Bodendenkmale geschützt werden.
DAS GESCHRUMPFTE SCHLOSS
Die symbolischen Spaten waren kaum ein paar Wochen in die Erde am Alten Markt gesenkt, da wurden die Knobelsdorff-Jünger im April 2010 damit überrascht, dass der Schlossgrundriss an zwei Stellen „gestaucht“ wurde – einmal um 50 und einmal um 90 Zentimeter. Grund war die bereits verlegte neue Tramtrasse, die zu dicht ans historische Schloss gerückt wurde – sie war geplant worden, bevor Hasso Plattner mit seiner 20-Millionen- Euro-Spende den Weg für die originale Knobelsdorff-Fassade inklusive Kutschauffahrt ebnete.
FORTUNAPORTAL
Im Herbst 2010 bildeten sich am von TV-Journalist Günther Jauch gespendeten Fortunaportal Risse. Der Baukonzern BAM musste tonnenweise Beton unter das Bauwerk pumpen, um ein Absacken zu verhindern. BAM und Sanierungsträger stritten sich darum, wer für die Risse verantwortlich ist und für den Schaden aufkommen muss – die Reparatur kostete rund 750 000 Euro. Das Baukonsortium beharrte darauf, die Risse im Torbogen seien schon vor der Übergabe des Landtagsgrundstücks vorhanden gewesen, der Sanierungsträger bestritt das und erklärte seinerseits, die Bauarbeiten hätten die Schäden verursacht, vor allem der Bodenaushub für die Tiefgarage in der Humboldtstraße.
UNSICHERER BAUGRUND
Der Boden ist eine der Hauptursachen für den Zeitverzug und die ständig wachsenden Mehrkosten des Großvorhabens. Schon 2005 hatte das Finanzministerium die Kosten- und Terminrisiken wegen des Baugrundes als „hoch bis sehr hoch“ bewertet. Allerdings konnten für das Sachverständigen-Gutachten aus dem Jahr 2006, das Teil des Bauvertrags in der öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) zwischen BAM und Land ist, nicht alle „erforderlichen Details“ ermittelt werden. Sondierungen waren nur an „ausgewählten Stellen“ möglich. Zwar trägt laut Vertrag der Auftragnehmer die Baugrundrisiken. In einem internen Ministeriumsbericht hieß es aber: Bauverzug und höhere Kosten, „die durch Baugrundrisiken verursacht werden, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkannt waren, trägt letztendlich das Land“.
GRUNDWASSER
Ungeplante Mehrkosten entstanden, weil zum Schutz des Grundwassers vor Versalzung aus tieferen Bodenschichten Spezialverfahren zur Absenkung des Wasserspiegels auf dem Baufeld nötig sind. Den Streit zwischen Land und BAM entschied ein Schlichter des Oberlandesgerichts (OLG): Das Land akzeptierte den Vergleich, um den Bauablauf nicht weiter zu verzögern, und übernahm die Mehrkosten von 1,5 Millionen Euro. Weitere Risiken erwartet das Land wegen einer Torfschicht entlang des Gehwegs am Hotel Mercure. Das Bodengutachten von 2006 wies bereits auf den Torf und die Gefahren im Falle einer Entwässerung hin, aus Sicht der BAM bezieht sich der Hinweis aber nicht auf die „angetroffenen Bereiche“. Um weiteren Verzug zu verhindern, ging das Land einen Kompromiss ein, beteiligt sich an der Sicherungsmaßnahmen der BAM mit 170 000 Euro. Für Schäden an Gebäuden von mehr als 160 000 Euro muss das Land aufkommen.
DER FENSTERSTREIT
Im November 2011 sorgte ein erneuter Streit für Wirbel: Der renommierte Fensterbauer Hans Timm warf der BAM und dem Land vor, statt den originalen Knobelsdorff-Fenstern schlichte „08/15“- Fenster einbauen zu wollen. BAM und Land wiesen die Vorwürfe zwar zurück, sprachen aber zunächst lediglich von einer „Annäherung“ an die historischen Fenster. Eine Woche später kam die Kehrtwende: Das Finanzministerium sicherte zu, Fenster einzubauen, die dem Erscheinungsbild der Schlossfenster aus der Zeit um 1912 entsprechen. Schuld war laut Ministerium eine interne Kommunikationspanne.
KUPFER STATT ZINK
Nur wenige Tage später sorgte Software-Milliardär und Mäzen Hasso Plattner für einen neuen Paukenschlag: Nachdem er bereits die Schlossfassade bezahlt hat, spendierte er dem Landtag im November 2011 nun auch das teurere Kupfer- statt des ursprünglich geplanten Zinkdachs. 1,75 Millionen Euro ließ Plattner springen. Die Umplanung sorgte für weiteren Zeitverzug des Bauprojekts.
EINTRAG IM SCHWARZBUCH
Die Häufung der Mehrkosten rief Ende 2011 den Bund der Steuerzahler auf den Plan und bescherte dem Bauvorhaben einen Eintrag im Schwarzbuch: Der Verein, der vor allem Verschwendung öffentlicher Gelder anprangert, rechnete aus, dass die Gesamtkosten für die Errichtung des Landtags von ursprünglich geplanten 120 Millionen Euro auf bereits 135 Millionen Euro gestiegen seien. Damit betrage der Baupreis pro Quadratmeter bei vorgesehenen 19 000 Quadratmetern einschließlich Tiefgarage und Zufahrt nunmehr 7105 Euro statt bisher 6667 Euro. Bei vergleichbaren Bauten liege der Quadratmeterpreis bei etwa 5000 Euro, so der Interessenverein der Steuerzahler.
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