Landeshauptstadt: „Wahlkampf“ um die Bürgermeinung
SPD und CDU begrüßen Befragung der Potsdamer zum Landtagsneubau – die Gegner erneuern ihre Kritik
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Der „Wahlkampf“ um die Meinung der Potsdamer zum Landtagsneubau kann beginnen: Bereits am Montag sollen die Vorbereitungen für die erste Bürgerbefragung der Landeshauptstadt beendet sein. Dann werden die „Stimmzettel“ gedruckt, auf denen die 122 407 wahlberechtigten Potsdamer ab dem 18. Dezember den ihrer Meinung nach besten Standort für den Neubau des Landtags ankreuzen sollen – oder einen eigenen Favoriten nennen können. Zur Wahl stehen das Grundstück des ehemaligen Stadtschlosses, das benachbarte Areal des ehemaligen Palais“ Barberini am Havelufer sowie die sanierungsbedürftige Speicherstadt.
Das Verfahren, auf das sich am Mittwochabend im Stadtparlament die neue „Landtagskoalition“ aus SPD, Linkspartei.PDS, CDU, Bürgerbündnis/FDP und Familienpartei mit großer Mehrheit geeinigt hatte (PNN berichteten), wurde gestern von Landtagspräsident Gunter Fritsch, Finanzminister Rainer Speer (beide SPD) und CDU-Kreischef Wieland Niekisch begrüßt. Fritsch sagte, das Votum zeige, „dass die Stadtverordneten noch ernsthaft nach einer Lösung suchen“. Das von der Linkspartei.PDS favorisierte Barberini-Areal als Neubaustandort lehnte Fritsch jedoch bereits ab: Von dort wäre ein Rundblick vom Alten Markt zu Parlament, Nikolaikirche und Altem Rathaus nicht möglich, sagte er.
Nach den Plänen des Landtags sollte „in den Um- und Aufrissen“ des ehemaligen Stadtschlosses auf dem Alten Markt ein zeitgemäßer Bau – groß genug für die 150 Abgeordneten eines vereinten Landes Berlin-Brandenburg – entstehen. Dafür wurden rund 85 Millionen Euro bewilligt. Den zwischen Stadt und Land ausgehandelten Bebauungsplanentwurf für den Neubau hatten die Stadtverordneten jedoch im November zweimal abgelehnt. An der Spitze der Gegner stand die Linkspartei.PDS, die die stärkste Fraktion im Stadtparlament stellt. Bei der geheimen Abstimmung votierten aber auch Mitglieder der früheren Schlosskoalition von SPD, CDU und Grünen gegen den Bebauungsplan. Damit wurde das Vorhaben des Landes vorerst gestoppt. Die Linkspartei.PDS signalisierte jedoch, dass sie ein Bürgervotum akzeptieren würde.
Unterdessen gab es auch gestern weiter Kritik an der Form der Befragung. Vertreter der Fraktion Die Andere erneuerten den Vorwurf, dass die Fragen allein zum Standort des Landtagsneubaus nicht den Kern der Problematik träfen. Ihre Begründung: Dass die Stadtverordneten den Bebauungsplanentwurf für den Landtag ablehnten, habe nicht mit dem Standort zutun gehabt. Vielmehr sei es um die Frage gegangen, ob genau auf dem Grundriss des 1959/60 auf SED-Geheiß abgerissenen Stadtschlosses gebaut werden solle oder unabhängig davon. Auch die unbeantwortete Frage nach der Art des Baus habe bei der Ablehnung eine Rolle gespielt: Errichtet werden soll der Landtag von privaten Investoren, sechs Konsortien haben sich bereits beworben. Sie bringen ihre Architekten mit, ein öffentlicherWettbewerb ist damit nach Angaben des Landes ausgeschlossen.
Dass die Bürger nicht zur Grundriss-Frage und zur Form des Neubaus gefragt werden, hatte im Stadtparlament auch der Grünen-Fraktionschef Peter Schüler kritisiert: Die Landtagsabgeordneten hätten sich mit ihrem Votum vom Mai 2005 bereits für einen Neubau in den „Um- und Aufrissen des Stadtschlosses“ entschieden. Stattdessen bringe die Befragung nun wieder andere Standorte ins Spiel. „Wenn sich nun die Potsdamer nun für die Speicherstadt aussprechen – was macht der Landtag dann“, fragte Schüler. In der Stadtverordnetenversammlung hatten sich wegen dieses Streits tumultartige Szenen abgespielt: Um die Bürgerbefragung ohne die Grundriss-Fragen zu verhindern, hatte die Fraktion Die Andere gedroht, ihren Antrag auf Bürgerbefragung in die Fachausschüsse zu überweisen. Damit wäre allerdings auch der so genannte Änderungsantrag der „Landtagskoalition“ in die Ausschüsse verwiesen worden – was einen Beschluss und eine Befragung noch in diesem Jahr wohl unmöglich gemacht hätte. Daraufhin zogen sich die Fraktionschefs zu Beratungen hinter verschlossenen Türen zurück. Das Resultat: Der Änderungsantrag wurde als eigenständiger Antrag deklariert, die Drohung der Fraktion Die Andere blieb wirkungslos. Es folgten lautstarke Auseinandersetzungen auf den Fluren des Stadthauses. Lutz Boede, Anhänger der Fraktion Die Andere, warf dem Fraktionschef der PDS Hans-Jürgen Scharfenberg vor, ein „Umfaller“ zu sein. Die Bürgerbefragung sei in dieser Form „das Alibi zum Umkippen“. Scharfenberg wies dies zurück. „Ich bin nicht bereit, mich ernsthaft dazu zu äußern“, sagte er. Die PDS habe immer gewollt, dass die Potsdamer zum Landtagsneubau-Standort befragt werden. Kern der Kritik sei gewesen, dass über die Köpfe der Potsdamer hinweg entschieden werden sollte. (mit ddp und dpa)
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