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Landeshauptstadt: Wahrheit und Versöhnung

Lepsiushaus eröffnet / Neumann: Scham über Rolle Deutschlands beim Genozid an den Armeniern 1915/16

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Nauener Vorstadt - Bundeskulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hat die gestrige Eröffnung des Potsdamer Lepsiushauses genutzt, um mit scharfen Worten die Rolle des Deutschen Reiches während des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich zu kritisieren. In Deutschland sei der erste große Genozid des 20. Jahrhunderts in den Jahren 1915/16 völlig verschwiegen und jede Veröffentlichung darüber verboten worden. Der deutsche Botschafter Paul Metternich habe damals noch gefordert, der türkischen Regierung „in den Arm zu fallen – vergeblich“, wie Naumann vor etwa 200 Gästen, darunter der armenische Botschafter Armen Martirosyan, bei der Einweihung des ehemaligen Wohnhauses von Johannes Lepsius (1858-1926) als Forschungs-, Gedenk- und Begegnungsstätte sagte. Der Kulturstaatsminister weiter: „Das Verhalten Deutschlands muss uns noch heute mit Scham erfüllen.“ Bei den Massakern und Todesmärschen in die mesopotamische Wüste kamen über eine Millionen Armenier ums Leben.

Ferner ging Neumann auf die Haltung der türkischen Regierung ein, die den Völkermord an den Armeniern bis heute leugnet. Die Deutschen hätten angesichts der Schuld am Holocaust, der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden, sich über andere Völker zu erheben. Dennoch gelte die Aussage des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer, wonach ein Volk sich erst durch die Vergegenwärtigung seiner Geschichte seiner selbst voll bewusst wird. Neumann, der sich seiner guten Gespräche mit Vertretern der türkischen Regierung erinnerte, sagte: „Zur Freundschaft gehört, sich die Wahrheit zu sagen.“ Das Lepsiushaus werde dazu beitragen, „dass Türken und Armenier über die Gräben hinweg nach Verständigung suchen“.

Der Theologe Johannes Lepsius hatte im Sommer 1916 von seinem Potsdamer Wohnhaus in der Großen Weinmeisterstraße 45 aus die Weltöffentlichkeit mit seinem berühmten „Bericht zur Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ über den Völkermord informiert. Lepsius gilt heute als einer der namhaftesten Humanisten überhaupt. Sein Name steht in einer Reihe mit denen von Albert Schweitzer, Fridtjof Nansen oder Dietrich Bonhoeffer. Der Schriftsteller Franz Werfel würdigte Lepsius in seinem Roman „Die 40 Tage des Musa Dagh“ und nannte ihn den von Gott gesandten „Schutzengel der Armenier“. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) würdigte den Mut von Johannes Lepsius, gegen die Tabuisierung des Völkermordes anzukämpfen. Ihre Aufforderung an das Lepsiushaus-Team: „Widmen Sie sich einer lückenlosen Forschung.“ Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) stellte in seiner Rede die Zwänge heraus, gleichzeitig Forschungs- wie auch Versöhnungsarbeit zu leisten. Der im Lepsiushaus angestrebte Dialog zwischen Türken, Armeniern und Deutschen müsse jedoch die historischen Tatsachen zur Grundlage haben.

Die Räume der Villa am Potsdamer Pfingstberg wurden in den vergangenen Jahren unter anderem aus Bundesmitteln für rund 560 000 Euro restauriert. Die rund 270 000 Euro teure Außensanierung des Lepsiushauses wurde bereits Ende 2005 abgeschlossen. Das Bauwerk ist Eigentum der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und gehört zum Unesco-Welterbe.

Das beherberge neben der Bibliothek des im vergangenen Jahr verstorbenen Lepsius-Experten Prof. Hermann Goltz eine Ausstellung zu Leben und Werk von Johannes Lepsius sowie zum Völkermord an den Armeniern. Nahezu alle Festredner gingen auf die jahrzehntelange Forschungsarbeit des Osteuropa-Fachmannes Goltz ein. Das Lepsiushaus werde immer mit den Namen von Hermann Goltz verbunden sein, erklärte Manfred Aschke, Enkel von Johannes Lepsius, der auch Grüße der in Sydney lebenden 101-jährigen Lepsius-Tochter Angela Wakefield-Lepsius überbrachte. Aschke erklärte, das Lepsiushaus werde „ein hohes Maß an Sensibilität“ an den Tag legen müssen, da es auch Neigungen gebe „die Wahrheit um der Versöhnung Willen unter den Teppich zu kehren“.

In der Ausstellung im Lepsiushaus beeindrucken besonders die großen Reproduktionen von Fotos Armin T. Wegners, die die Leiden der Armenier zeigen. Ein Foto zeigt sterbende und tote armenische Kinder am Wegesrand. Der Vorsitzende des Lepsiushaus-Vereins, Hans-Ulrich Schulz, würdigte Wegeners Mut, als damaliger Sanitätsunteroffizier das Grauen fotografisch festgehalten und somit für die Nachwelt dokumentiert zu haben.

Wie Peter Leinemann, Geschäftsführer des Lepsiushaus-Vereins, erklärte, ist der Betrieb der Potsdamer Gedenkstätte bis zum Jahresende durch Gelder des Bundes gesichert. Verhandlungen mit dem Bund und dem Land Brandenburg über eine weitere Unterstützung stimmten ihn „optimistisch“. In den nächsten Tagen werde der künftige wissenschaftliche Leiter des Lepsiushauses berufen, informierte Leinemann.

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