Landeshauptstadt: Walhalla in Bedrängnis?
Britische Limited steigt ein / Wo einst Chaplin und Caruso auftraten, spielt jetzt Justitia die Hauptrolle
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Innenstadt - Bizarrer Streit um das Kultur- und Gästehaus „Walhalla“: Wo einst Charlie Chaplin und Errico Caruso ihre Vorstellungen gegeben haben, spielt inzwischen Justitia die Hauptrolle. Kläger und Beklagter in wechselnden Rollen sind der jetzige Betreiber Kay-Patrick Bockhold und der frühere Leiter des Projektes, Uwe Bläsing. Unzählige Aktenzeichen, hinter denen einer der beiden Namen oder die von ihnen vertretenen Vereine und Gesellschaften stecken, sind bei Gerichten in der Landeshauptstadt dokumentiert. Nun wittert Bläsing neuen Verrat: Denn der Verein Maulwurf hat seinen Sitz nach Thessaloniki in Griechenland verlegt und eine britische Gesellschaft soll eine Grundschuld mit sofortigen Vollstreckungsrecht ins Grundbuch des mit öffentlichen Geldern sanierten Hauses erhalten.
Voller Hoffnung ist das aus einer Ruine wiederentstandene Walhalla nach langjähriger Sanierung im Mai 2006 eröffnet worden. Kulturveranstaltungen, gehobener Restaurantbetrieb, Gästehaus – das Konzept ging anfangs auf. Doch seit einiger Zeit öffnet das Haus erst in den Nachmittagsstunden, die Bühne für das einst veranstaltete Variete ist ausgebaut und selbst Betreiber Kay-Patrick Bockhold erklärte gestern, dass neue Konzepte umgesetzt werden sollen, um wieder mehr Publikum ins Walhalla zu ziehen. Dafür sei auch die neuerliche Finanzspritze gedacht. Denn laut Grundbuchakte soll die britische Firma C&O Service and Investment Limited eine Grundschuld samt sofortiger Vollstreckungsmöglichkeit ins Grundbuch eingetragen bekommen. Dabei wird schon jetzt bei einem Blick in die Akte des Grundstücks deutlich: Das Walhalla samt Biergarten und Gästehaus in der Dortustraße ist mit etwa 560 000 Euro Bankdarlehen und 850 000 Euro öffentlichen Fördermitteln belastet.
Bläsing sieht nun die Gefahr, dass ein weiterer Schuldner – dazu eine britische Limited-Gesellschaft, die man sich online im Internet für 260 Euro kaufen kann – die gemeinnützige Maulwurf GmbH, die Eigentümer des Grundstücks ist, bei einer Anmeldung der Zwangsvollstreckung in die Insolvenz treiben könnte. Folgen wären möglicherweise, dass das Ensemble anschließend zwangsverwaltet wird und womöglich als Nummer bei einer Zwangsversteigerung landet. Dann würden im schlimmsten Fall die Gläubiger, darunter der Fördermittelgeber samt der öffentlichen Mittel, große Teile des Geldes nie wieder sehen. Allerdings, so hieß es gestern gegenüber PNN, könnte der neue Eigentümer dann schuldenfrei den Betrieb der Gaststätte und des Gästehauses betreiben. Zudem ist der neue Vereinschef des Maulwurf e.V., Johann Georg Herzog, Direktor einer Finanzverwertungs Limited mit Sitz in Großbritannien.
Erst seit kurzem leitet Herzog die Geschicke des Vereins, der seinen Sitz auf Beschluss der Mitgliederversammlung nach Thessaloniki in Griechenland verlegte. Als Grund dafür heißt es im Protokoll vom 21. Februar 2007: „dass infolge der eingetretenen förderrechtlichen Veränderungen, die Durchführung des satzungsgemäßen Vereinszweckes im Maulwurf e.V. unmöglich geworden und dessen Geschäftsgrundlage entzogen ist.“ Aufgebaut wurde das Walhalla mit Hilfe des Modellprojektes Haftvermeidung durch Soziale Integration (HSI). Straffällig gewordene Jugendliche sind dabei unter anderem über den Maulwurf e.V. zur Leistung von Arbeitsstunden bei einem gemeinnützigen Projekt verpflichtet worden. Seit diesem Jahr gehört der Potsdamer Verein nicht mehr zu den Partnern des Projektes HSI. Die Schwerpunkte der Förderung haben sich geändert, hieß es gestern aus dem Justizministerium. Der Maulwurf e.V. sei dabei „leer ausgegangen“, so Thomas Melzer. Daher haben die Mitglieder des Vereins, darunter neben Bockhold auch der Potsdamer Rechtsanwalt Jörg- Klaus Baumgart sowie Dr. Andreas Timmermann aus dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium, die Liquidation des Vereins beschlossen.
Bläsing vermutet einen Zusammenhang mit einer Forderung, die er beim Maulwurf e.V. gerichtlich eintreiben will. 137 000 Euro bekomme er noch von dem Verein, teilte er zuletzt verschiedenen Medien mit. Und zur Umsiedlung des Vereins meint er: „Der Maulwurf e.V. versucht damit offensichtlich, den Zugriff auf seine Vermögenswerte, nach hiesiger Kenntnis mehrere hunderttausend Euro, den Gläubigern unmöglich zu machen“. Bockhold sagte auf Anfrage, dies stimme nicht. Die Forderung in der von Bläsing genannten Höhe besteht laut Gerichtsakten, jedoch bestreitet der Verein Maulwurf die Rechtsmäßigkeit der Rechnung und hat diese bislang nicht anerkannt. Eine Zwangsvollstreckung bestehe nicht, so Bockhold.
Als Grund für den Wechsel des Vereins ins Ausland nannte er auch das Verhalten von Bläsing. Er habe jahrelang Briefe mit diversen Vorwürfen an verschiedene Kooperationspartner des Vereins geschrieben – inzwischen habe der Verein hier keine Zukunft mehr.
Auch den kleinen Anteil an der gemeinnützigen Maulwurf GmbH, der das Walhalla gehört, hat der Verein abgegeben. Die Gesellschafter des Unternehmens, das das Walhalla betreibt, sind neben der Paritätischen Gesellschaft die Vereine Punitus - Hilfe für Straffällige e.V. aus Ihlow sowie Ihlow 7 – Jugendwerk Sägefisch e.V. Vorstand in den Vereinen mit gleicher Anschrift ist laut Vereinsregister Kay-Patrick Bockhold. Sein Gegner Bläsing tritt übrigens gelegentlich im Namen des Vereins Neue Sozialarbeit vor Gerichten in Aktion. Der Verein befindet sich seit einiger Zeit in Liquidation – allerdings mit Sitz in Potsdam.
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