Von Sophia Sabrow: Warnung vor einer Politik des Verdachts
Der Kongress „Phantomgesichter“ an der Potsdamer Fachhochschule beschäftigt sich mit biometrischen Bildern
Stand:
„Einen Fingerabdruck bitte!“, heißt es heutzutage schon vielerorts an Flughäfen, Computern und Tresoren. Biometrische Technologien, bei denen Personen mittels Fingerabdruck, Iris-Scan oder Gesichtserkennung identifiziert werden können, gewinnen weltweit immer mehr an Bedeutung. Mit ihrer Hilfe kann ein Verbrecher enttarnt werden, der mit einem falschen Pass zu flüchten versucht. Oder es kann gewährleistet werden, dass aus Gefängnissen auch der richtige Insasse entlassen wird.
Analytische Videokameras können sogar auffälliges Verhalten erkennen und für Monitore filtern. Nur, was ist auffälliges Verhalten? „Eine Person, die alleine steht. Gruppen, die zusammenkommen, Gruppen die auseinandergehen. Ein parkendes Auto. Das alles wird unter potenziell verbrecherischem Verhalten gefasst“, sagt Dr. Dietmar Kammerer von der Freien Universität Berlin. „Der eigentliche Anspruch an die intelligenten Kameras, nämlich das Filtern relevanter Informationen, wird damit ad absurdum geführt.“ Der Kulturwissenschaftler legte gestern die Nachteile analytischer Überwachungssyteme auf dem Kongress „Phantomgesichter“ an der Potsdamer Fachhochschule dar. Auf der Tagung und Ausstellung beleuchten und diskutieren Referenten verschiedener Disziplinen das Thema visuelle Überwachung aus technischer, geisteswissenschaftlicher und künstlerischer Perspektive.
Mit automatisierter Überwachung will man die Beobachtungsarbeiter an den Monitoren entlasten, erklärt Kammerer. Sie soll eine konstante und neutrale Leistung erbringen und nicht, wie es bei Menschen der Fall wäre, durch Müdigkeit oder Vorurteile das Ergebnis verfälschen. Genau diese Unparteilichkeit zieht Kammerer jedoch in Zweifel. Technik sei nämlich stets in ein System von Vorannahmen eingebettet, das zu einer Schieflage und Diskriminierung führe. So habe sich bei einer Studie herausgestellt, dass Gesichtserkennungstechnologien bestimmte Minderheitsgruppen, wie Brillenträger oder nicht-westliche Gesichter, deutlich besser erkennen würden. Eine solche Anwendung erkläre den jeweiligen Mainstream zum Standard; das Abweichende, Andere, nicht Norm-konforme werde plötzlich besonders stark unter die Lupe genommen. Kammerer warnt vor dieser „Politik des Verdachts“, die plötzlich alles zum Verbrechen erkläre.
Im Gegensatz dazu hob Professor Christoph Busch die Vorteile der Gesichtserkennung hervor. „Sie versucht nachzustellen, was ein Mensch sehen würde und leistet dabei Vieles, was wir nicht können“, erklärt der Informatiker vom Frauenhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt. Ein Computer könne viel schneller und zuverlässiger eine Vielzahl von Gesichtern speichern und abrufen als das menschliche Gehirn. Und auch andere Fehlbarkeiten würden durch biometrische Technologien ausgeglichen werden. „Eine PIN-Nummer oder Kreditkarte kann man verlieren, vergessen oder an nicht befugte Personen weitergeben“, erklärt Busch. Ein biometrisches Merkmal, wie das eigene Stimmmuster, sei hingegen sicher vor solchen Gefahren.
Bei allen Vorteilen, die diese Technologien mit sich bringen, stellt sich allerdings auch die Frage des Datenschutzes. So müsse Busch zufolge sichergestellt werden, dass bei biometrischen Methoden nur die wirklich nötigen Informationen abgefragt und gespeichert werden.
13. und 14. März 2009, jeweils 10 bis 20 Uhr, FH Potsdam, Friedrich-Ebert-Str. 4, Informationen unter www.emw.eu.
Sophia Sabrow
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: