Landeshauptstadt: Warnung vor extremistischer Gewalt
NPD-Stadtverband weckt Sorge / Zahl der Neonazis und Autonomen fast gleich
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Zwar ist die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Potsdam in diesem Jahr weiter zurückgegangen – doch Sicherheitsbehörden und Ermittler befürchten neue Gewalt zwischen rechter und linker Szene. Anlass ist die Gründung eines Stadtverbandes der rechtsextremen NPD, womit nach langer Zeit wieder eine feste Struktur für Neonazis in der Landeshauptstadt symbolhaft erkennbar ist. „Das könnte die linke Szene auf den Plan rufen“, sagte Potsdams Polizeichef Ralf Marschall gestern bei der Vorstellung der jährlichen Kriminalitätsstatistik. „Wir sehen diese Entwicklung mit Sorge.“
Der NPD-Ortsverband besteht seit Anfang 2010. Seitdem sehen Sicherheitsbehörden nach PNN-Informationen ein bedrohliches Szenario für die Landeshauptstadt: Bisher parteiungebundene Rechtsextreme nutzen die NPD für öffentliche Auftritte, etwa bei Informationsständen – und gewaltbereite Linke gehen dagegen vor. Vor allem um 2005 herum hatte es heftige Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Extremisten in Potsdam gegeben. Damals ging die Gewalt vor allem von Neonazis aus, es ging um jährlich bis zu zwei Dutzend teils spektakuläre Gewalttaten und heftige Debatten zu Schuld, Gründen und Maßnahmen gegen Gewalt.
Dagegen wirken die Zahlen aus der aktuellen Kriminalstatistik vergleichsweise klein: Sieben rechte und sechs linke Gewaltdelikte hat es im vergangenen Jahr in Potsdam gegeben. Im gesamten Schutzbereich, zu dem auch Teile Umlands zählen, sank die Zahl vor allem rechtsextremer Propagandadelikte von 135 auf 95.
Unterdessen kommen vom Landesverfassungsschutz aktuelle Angaben zur Zahl von Rechts- und Linksextremen in der Region Potsdam: NPD und weitere Neonationalisten zählen danach bis zu 60 Personen, dazu kommen 80 unorganisierte, gewaltbereite Rechtsextremisten. Gleichwohl sei die Zahl der Neonazis konstant, es gäbe neben Neulingen in einschlägigen Jugendcliquen auch Aussteiger. „Allerdings tendiert das Potenzial der Neonazis, andere Menschen für ihre Ziele zu mobilisieren, in Potsdam gegen Null“, sagte Winfriede Schreiber, die Chefin des Verfassungsschutzes, den PNN auf Anfrage. Zu konstatieren sei, dass Neonazis aus Potsdam bei allen wichtigen Aufmärschen der Szene im Bundesgebiet präsent seien.
Zur linksextremen Szene rechnet der Verfassungsschutz für Potsdam und die nähere Umgebung rund 100 Autonome und 50 Mitglieder bei der Roten Hilfe, eine Organisation zur Unterstützung von Linken bei Konflikten mit dem Gesetz. „Bei allen Gruppen gibt es auch personelle Überlappungen“, so Schreiber. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht wird dazu – auch für Potsdam – festgestellt: „Wie in den Vorjahren hat die autonome Szene Brandenburgs erhebliche Probleme mit der Rekrutierung von Nachwuchs.“ Unter anderem werde, angesichts fehlender Kulturräume für Jugendliche, über die sogenannte „Freiraum“-Diskussion versucht, neue Anhänger zu rekrutieren, heißt es. Doch vor allem könnten neue Mitglieder für die Szene über das Label „Antifaschismus“ gewonnen werden: Auch insofern spielt der Potsdamer NPD-Verband eine Rolle. HK
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