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Kolumne Etwas HELLA: Warum Steine plumpsen und Kämme schwellen

Haben Sie gehört, wie mir der Stein vom Herzen gefallen ist? Bin ich vielleicht froh, dass das Verwaltungsgericht Potsdam das Bürgerbegehren zum Erhalt der DDR- Gebäude in der Stadtmitte als grob fehlerhaft abgelehnt hat.

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Haben Sie gehört, wie mir der Stein vom Herzen gefallen ist? Bin ich vielleicht froh, dass das Verwaltungsgericht Potsdam das Bürgerbegehren zum Erhalt der DDR- Gebäude in der Stadtmitte als grob fehlerhaft abgelehnt hat. Ich kriege nun also doch meine kleinteilige Bebauung mit den alten Straßenzügen und muss nicht jahrelang an einer immer weiter verfallenden Ex-Fachhochschule vorbeiradeln, die wie auf Stelzen steht, weil ringsherum das alte Straßenniveau wiederhergestellt worden ist. Und ich muss auch nicht mehr von einem inzwischen seltsam anmutenden Staudengarten in einen unsäglich hässlichen Wirtschaftshof gucken. Aus lauter Freude darüber werde ich mich bei der neuen Initiative „Stadtmitte für alle“ ins Wohnzimmer setzen, das sie bei der Initiativen-Gründung auf dem Alten Markt einrichten will. Ich werde Kaffee aus meiner „Thermoskanne für alle“ trinken, denn noch fehlen ja die kleinen Cafés und Kneipen, die neben den Wohnungen im Karree hinter der Nikolaikirche entstehen sollen.

Wegen dieser Querelen um die Gestaltung der Altstadt hat Potsdam allerdings nicht das Prädikat „Absteigende Kleinstadt“ im Managermagazin bekommen. Potsdam hat es sich vielmehr wegen seines geringen wirtschaftlichen Potenzials und des Fehlens von kernigen weltweit bekannten Betrieben eingehandelt. Die IHK-Statistik listet für Potsdam zwar 535 Industrie-Betriebe auf. (Bei den Dienstleistungen sind es über 7000.) Wo die aber stecken, ich weiß es nicht. Vielleicht sind sie so winzig, dass man sie mit der Lupe suchen muss. Da machen auch ein Katjes oder eine Sicherheitsglasfirma in Babelsberg noch keinen Wirtschaftsaufschwungsommer. Ob diese Misere daran schuld ist, dass in Potsdam die Arbeitslosigkeit weiterhin über dem Bundesdurchschnitt liegt und die der Hartz-IV-Bezieher auch – weiß wahrscheinlich nur die zuständige Stadt-Astrologin oder die Initiative „Stadtmitte für alle“. Ich jedenfalls enthalte mich der Wertung, obwohl ...

Es soll ja überall im Bevölkerungsquerschnitt hochbegabte, weniger begabte und auch schlecht ausgebildete Leute geben. Aber alle sollten sie einen Arbeitsplatz finden und natürlich eine bezahlbare Wohnung und nicht nur ein vorübergehendes Wohnzimmer auf dem Alten Markt. Wenn erst Martin Schulz den Bundeskanzler gibt, wird nicht nur in Potsdam das Arbeitslosengeld aufgestockt, es wird auch auf Deibel komm raus weitergebildet. Die Arbeitslosenquote sinkt, die Filmindustrie boomt, der interessierte Tourist kommt an Potsdam ohnehin nicht mehr vorbei. Eine Kleinstadt und dann auch noch absteigend? Bei dieser Bezeichnung schwillt mir denn doch der Kamm und ich bin vor Ärger einem Herzinfarkt nahe. Kann das eine städtestudienherstellende GmbH, die in Hünxe am Niederrhein wahrscheinlich keine Stadtentwicklungsprobleme hat, verantworten?

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam

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