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Kein schöner Anblick: Mit modellierten Leichen erklärten Mitarbeiter des Potsdamer Instituts für Rechtsmedizin zur Langen Nacht der Wissenschaften ihren Besuchern, wie die so genannte Forensik funktioniert.

© Andreas Klaer

Lange Nacht der Wissenschaften: Was die Maden verraten

Das Potsdamer Institut für Rechtsmedizin öffnete zur Langen Nacht der Wissenschaft

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Eine tote Frau liegt im Brennesselgebüsch. Sie hat eine Verletzung an der Stirn. Neben ihrem Kopf ist ein Stein mit dunkelbraunen Anhaftungen zu sehen. Handelt es sich dabei um Blut? Ganz klar, das ist ein Fall für die Kriminalpolizei. „Nur nichts übersehen“, heißt das Gebot der Stunde. Und vor allem nicht aus Unachtsamkeit Spuren verwischen! Schon ein einziger Fehler könnte verhindern, das der Kriminalfall aufgeklärt wird.

Wie die Ermittler am Fundort einer Leiche tatsächlich vorgehen, präsentierten Kriminaltechniker und Rechtsmediziner am Samstag in der Lindstedter Chaussee. Das Institut für Rechtsmedizin hatte zur Langen Nacht der Wissenschaften seine Räume für Besucher geöffnet. Bereits mit der nur wenige Meter neben dem Institut im Brennesselgebüsch liegenden Modell-Toten erhielten die Besucher einen direkten Einblick in die Ermittlungsarbeit vor Ort: Man hatte keine Mühen gescheut, um den Besuchern einen wirklichkeitsnahen Leichenfundort zu präsentieren.

Die Tote hatte eine Weinflasche bei sich. Eine Schachtel Tabletten und ein Taschentuch lagen ebenfalls zwischen den Brennesseln. Auch fanden die Ermittler in der Nähe der Toten einen Ausweis. Alle diese Fundobjekte und auch die Leiche selbst erhielten eine dieser aus Kriminalfilmen hinlänglich bekannten Nummerntafeln. „Eins“ die Leiche, „zwei“ die Weinflasche und so weiter. Eine 360-Grad- Sphärenkamera stand zur Verfügung, um den gesamten Fundort aufzunehmen. Auf die Ganzkörperanzüge der Ermittler hatte man am Samstag allerdings mit Rücksicht auf deren körperliches Wohlbefinden verzichtet. Schließlich stehe man mit diesen Anzügen binnen kurzer Zeit im eigenen Wasser, so einer der „echten“ Ermittler, die am Samstag vor Ort waren.

Wichtige Instrumente bei der Spurensicherung sind Pinzette und Thermometer. Schließlich müssen umherliegende kleine Gegenstände aufgesammelt werden und die Temperatur der Leiche kann Aufschluss über den Todeszeitpunkt geben. Manchmal vertrauen die Ermittler zudem auf ihre Nase, „die in manchen Situationen auch gern mal ausgeschaltet werden darf“, wie ein Rechtsmediziner sagte. Nach der Spurensicherung kann die Leiche in die Gerichtsmedizin gebracht werden. Bei ihrer Einlieferung wird sie sofort fotografiert, um einen lückenlosen Identitätsnachweis zu haben, wie Institutsdirektor Jörg Semmler berichtete.

Dass die Arbeit in der Rechtsmedizin nicht unbedingt etwas für zartbesaitete Menschen ist, bewies die Leiche: Fäulnis und Maden hatten ihr bereits zugesetzt. Was die Besucher erfuhren: Anhand der Entwicklungsstadien dieser Maden kann auf die Liegedauer der Toten geschlossen werden. Leichen sind für über 100 Insektenarten Lebensraum, Brutstätte oder Nahrungsquelle, so ein Rechtsmediziner.

Auf dem Sektionstisch wird die Leiche schließlich ganz genau untersucht. Lose Teile werden von ihr abgesammelt, die Fingernägel beschnitten und Blut- oder Gewebeproben entnommen. Die Tote vom Samstag wies Strangulationsspuren auf. Diese konnten allerdings nicht von dem Schal um ihren Hals stammen. Die Mediziner stellten fest, dass die Kopfverletzung nicht todesursächlich war, sondern eben jene Strangulation. Man hatte also die Todesursache ermittelt und – dank der Maden – konnte auch die Liegedauer der Toten bestimmt werden. Nur der Täter war zunächst noch nicht gefunden. Weitere Aufklärungsarbeit und ein Scheidenabstrich bei der Toten führten schließlich doch zum Täter. Im „Schwerverbrecherregister“ war die DNA des bereits mehrfach mit Sexualdelikten auffällig gewordenen Mannes gespeichert. Bei ihm fanden die Ermittler auch das Tatwerkerkzeug: eine Kordel. Der Fall war gelöst.

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