Links und rechts der Langen Brücke: Was für eine Bescherung
Sabine Schicketanz über eine seltsame Vorweihnachtszeit – und 34 000 Geschenke, die erst nach Neujahr ausgepackt werden
Stand:
Was war das nur für eine seltsame Vorweihnachtszeit? Schon die frühherbstliche Milde ließ Lichterglanz und Glühwein deplatziert wirken, den Potsdamer Weihnachtsmarkt wie eine zur falschen Jahreszeit aufgebaute Filmkulisse erscheinen. Da blieb die Besinnlichkeit gleich mit auf der Strecke – zumal in den politischen Kreisen. Schier unablässig brachten Auseinandersetzungen und Querschüsse das friedliche Fest in weite Ferne. Hauptursache natürlich: Die Debatten um den Landtagsneubau und die Bürgerbefragung. Die 34 000 von Potsdamer Bürgern zurückgesandten Umschläge mit ausgefüllten Fragebögen dürften viele Stadtpolitiker zwar zunächst als ein schönes Geschenk werten – doch was passiert, wenn am 2. Januar ausgepackt wird? Dann wird sich offenbaren, ob die Befürworter des Schloss-Standorts Grund hatten, so hochgradig nervös zu sein: Hat die Mehrheit der Potsdamer ihr Kreuzchen für die Stadtmitte gemacht? Denn nur dann, so scheint es, kann das Vorhaben, den Landtag auf dem Areal des ehemaligen Stadtschlosses zu bauen, weiter gehen. Andernfalls wäre das Projekt wohl gestorben – oder fände zumindest keine Mehrheit im Stadtparlament. Kein Wunder, dass Politiker statt Grußkarten zum Fest lieber Werbeplakate malten, um die Potsdamer zum „richtigen“ Kreuzchen aufzufordern – oder die Presse mit langen Erklärungen eindeckten. Als Lektüre ohne weihnachtlichen Wert kam außerdem die „Ergänzende Bürgerbefragung“ der Fraktion Die Andere dazu – zur Überraschung selbst des Oberbürgermeisters. Der sich beeilte zu verkünden, es gebe „nur eine offizielle Befragung“. Das erinnerte statt an Weihnachtslieder an Fußballfangesänge – „es gibt nur einen Rudi Völler“ hieß es da. Das hat zwar bis heute Gültigkeit, doch Teamchef der Nationalmannschaft ist er schon lange nicht mehr Was ja kein schlechtes Omen sein muss. Dass es überhaupt eine „offizielle Befragung“ gibt, ist allerdings nicht nur der Mehrheit der Stadtverordneten zu verdanken – sondern auch der Minderheit, die sich dagegen ausgesprochen hat, aber juristisch nichts dagegen tat. Hätte nur einer von ihnen, so waren sich die Experten einig, vor Gericht die Befragung beanstandet, hätte Justitia sie gekippt. Was für eine Bescherung es dann gegeben hätte! Erst das Doppel-Nein der Stadtverordneten zum Landtagsbau auf dem Schloss-Areal – und im Anschluss eine Befragung, die nicht mit der Verfassung konform geht. Da könnte sich doch eine gewisse Dankbarkeit eingestellt haben, dass allein ein Potsdamer Student das Verfahren in Zweifel zog. In seinem Recht verletzt, meinte jedenfalls das Gericht, war er jedoch nicht. Gewartet wurde auf den Gerichtsbeschluss zum Eilantrag allerdings gespannter als mancherorts auf den Weihnachtsmann – besonders im Stadthaus. Und nun, da der Weihnachtsmann vor der Tür steht? Da werden sich einige der Politik-Akteure erst daran erinnern müssen, ihn reinzulassen – denn vor lauter Turbulenzen haben sie ihn wohl ganz vergessen. Dann aber wird sicherlich alles so sein, wie es zu Weihnachten immer ist. Bis auf das Wetter. Das soll ja seltsam bleiben.
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