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Landeshauptstadt: „Was mir gehört, gehört mir“

In Togo hat jeder Name eine Bedeutung. Und die Kinder bauen sich ihr Spielzeug selbst. Wie das funktioniert, erklärte Koko N’Diabi Affo-Tenin Potsdamer Schülern in der Bibliothek

Von Sarah Kugler

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Es sieht so einfach aus: Ein geflochtener Korb, gefüllt mit Früchten, wird auf dem Kopf platziert, kurz mit den Händen justiert und bleibt auch dort, als die afrikanische Trägerin mit flotten Schritten davonschreitet. Aber so locker wie Koko N’Diabi Affo-Tenin das vormacht, ist es dann doch nicht, wie Schüler der zweiten Klassen aus der Weidenhofgrundschule am Schlaatz und der Bruno-Bürgel-Grundschule in Babelsberg am gestrigen Mittwoch erleben durften.

Im Rahmen der Kulturellen Woche, die noch bis zum 4. Oktober ein buntes Programm zum Thema „Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt“ bietet, besuchten sie die Veranstaltung der Stadt- und Landesbibliothek „Wie leben Kinder in Togo? Über das Alltagsleben in anderen Ländern“.

Koko N’Diabi Affo-Tenin, die selbst in einem Dorf in Togo aufgewachsen ist, nun schon seit mehr als 20 Jahren in Potsdam lebt und unter anderem das Projekt „Bildung für Balanka“ betreut, brachte dafür allerhand Anschauungsmaterial mit. Unter anderem Spielzeug, das Jugendliche aus Togo für jüngere Kinder hergestellt haben – und die bei den Potsdamer Schülern zu einigen Überraschungsausrufen führen. Denn einige der Spielsachen, wie ein kleines Auto oder ein Fotoapparat, aus dem beim Auslösen ein Vögelchen hervorspringt, sind aus Cola-Dosen hergestellt.

Auf die Frage nach dem Warum, antwortet Affo-Tenin geduldig: „In Togo können die Kinder nicht einfach mal so in einen Laden gehen und sich etwas kaufen. Deswegen verarbeiten sie die Materialien, die sie zur Verfügung haben.“ Dabei zeigt sie auch einen Ball, der aus zerknüllten Zeitungen besteht, die mit einer Tüte und einem Seil zusammengehalten werden. Der findet auch sofort Anklang bei den Schülern, wird hochgeworfen und von einem zum nächsten gegeben.

Und dann präsentiert Affo-Tenin etwas ganz Besonderes: „Oware“, so nennt sich das traditionelle Spiel, das in ganz Afrika gespielt wird und aus einem holzgeschnitzten Kasten sowie Samen einer Lianenpflanze besteht. „Es ist ein Spiel für zwei Leute“, erklärt die 56-Jährige, die für ihr BWL-Studium nach Berlin gekommen war und der Liebe wegen in Deutschland geblieben ist. „Am Ende gewinnt der Spieler mit den meisten Steinen.“ Um das zu erreichen, werden in jede Mulde des Holzkastens vier Samen gelegt und dann beginnt ein Spieler, jeweils die Samen einer Mulde auf die anderen zu verteilen. Wenn er mit einem Stein ein leere Mulde erwischt, darf er die Steine der gegenüberliegenden Seite behalten und der Gegner ist am Zug.

„Mit den Samen werden in afrikanischen Ländern viele Spiele gespielt“, so Affo-Tenin. „Sie sind alle eine gute Fingerübung und schulen die Feinmotorik.“

Neben all den anschaulichen Materialien erklärt die Potsdamerin auch viel über Namenskultur aus ihrem Heimatland. So habe dort jeder Name eine Bedeutung, wie etwa ihr Nachname, der sich aus „Erster Sohn der Familie“ (Affo) und „Was mir gehört, gehört mir“ (Tenin) zusammensetzt. Ihr Vorname wiederum hieße übersetzt „Die zweite Tochter der Familie“ (Koko) und „Ich bin die Größte“ (N’Diabi). Letzteren bekam sie, weil sie am Tag ihrer Geburt das größte Baby im Krankenhaus war, wie sie erzählt. Viele Kinder werden auch nach dem Wochentag ihrer Geburt benannt.

Affo-Tenin, die an einem Freitag geboren ist, könnte somit auch „Afi“ heißen, wäre sie ein Junge, hieße sie „Kafi“. Genauso wie einige der Schüler, die sich bemühen, den fremd klingenden Zungenschlag der afrikanischen Ewe-Sprache richtig auszusprechen.

Als Affo-Tenin dann erzählt, dass viele Kinder in Togo oft nicht einmal bis zur sechsten Klasse die Schule besuchen können, weil sie arbeiten gehen müssen, um ihre Familien zu unterstützen, herrscht kurz betroffenes Schweigen. „Meine Cousine zum Beispiel muss Tomaten verkaufen und kann die Schule nicht besuchen“, erzählt sie. „Deswegen setze ich mich auch für die Bildung in meinem Heimatdorf Balanka ein und sammle zum Beispiel Schulgelder.“

Einmal im Jahr besucht sie das Dorf und ihre Familie vor Ort, die sie auf einigen Fotografien den Schülern vorstellt. Auf den Bildern können sie auch sehen, wie Affo-Tenin mehrere Gefäße übereinander auf dem Kopf transportiert. Das wollen sie auch probieren – und fangen erst mal mit kleinen Körben an.

„Erst haltet ihr ihn mit beiden Händen fest“, weist Affo-Tenin an. „Wenn ihr euch sicher fühlt, lasst ihr eine Hand los, dann beide.“ Ein Kind nach dem anderen probiert sich in der Kunst, die Körbe poltern reihenweise zu Boden. „Das ist echt schwer, vor allem wenn noch eine Kokosnuss drin liegt“, sagt ein Junge der Bruno-Bürgel-Grundschule. Spaß mache es trotzdem, wie überhaupt die ganze Veranstaltung, erklärt er und versucht seinen Korb oben zu halten, was ihm schließlich auch für ein paar Schritte gelingt.

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