Landeshauptstadt: Waschen bringt Unglück
Neujahr mit Chinaböllern und roten Geldboten
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Zur größten Migrationsbewegung der Welt kommt es alljährlich zum chinesischen Neujahrsfest. Denn Familienmitglieder, die weit entfernt von der Familie oder sogar im Ausland leben und arbeiten, haben nun frei und können endlich ihre Verwandten wieder sehen. Auch hier in Shangjiang bekommen wir das mit. In der Nachbarschaft kehrte ein Mann nach Hause und sah nun zum ersten Mal sein knapp einjähriges Kind.
Das Chinesische Neujahr wird nicht wie bei uns in Europa im Wechsel vom Dezember zum Januar gefeiert. Das Datum errechnet sich nach dem alten „Lunisolarkalender“: Am zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende (zwischen dem 21. Januar und 21.Februar) wird das große Fest gefeiert. Die Chinesen kommen in den Familien zusammen, um gemeinsam die alten Beschwerden zurückzulassen und sich zu öffnen für die Neuheiten des nächsten Jahres.
Die Läden und das Postamt haben zu, der Markt ist verlassen. Das öffentliche Leben liegt in dieser Zeit brach. Normalerweise haben die Läden täglich auf, auch am Sonntag wird hier gearbeitet wie an jedem anderen Tag. Nur eben in der Zeit des Neujahrs nicht. Die Schüler haben über einen Monat schulfrei, sogar die Zuckerrohr-, Tabak- und Kaffeeernte wird unterbrochen.
An Silvester waren wir bei einer chinesischen Familie zum Essen eingeladen. Ihr Sohn war aus Kambodia angereist, mit seiner frisch verlobten jungen Frau. Es gab ein Festmahl, ein großer Aufwand für eine solch arme Familie. Zum Jahreswechsel werden kleinen Kindern rote Umschläge mit Geld geschenkt. In der Zeit darauf werden im ganzen Land die Spielzeuggeschäfte gestürmt. Für die chinesischen Kinder ist das Neujahrsfest bestimmt vergleichbar mit unserem Weihnachtsfest. Auch wir bekamen jeder einen solchen Umschlag mit dem Glücksschwein darauf von unserem Schulleiter.
Gegen 22 Uhr verabschiedeten wir uns, um dem Treiben auf der Straße beizuwohnen. Dort wurden Raketen gezündet und natürlich die berühmten Chinaknaller. Allmählich verzogen sich die Nachbarn in ihre Häuser, um die Liveübertragungen von großen Festen in den Riesenstädten Nordchinas im Fernsehen mitzuverfolgen.
Die Tage danach waren sehr ruhig. Eingekauft wird in dieser Zeit überhaupt nicht. So will es der Brauch: An den ersten Tagen des Neuen Jahres darf kein Geld augegeben, keine Wäsche gewaschen und nicht ins Feuer geblasen werden. Das bringe Unglück, glauben die Chinesen. Josefine Markarian
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