
© Doris Spiekermann-Klaas
Landeshauptstadt: Waschen, Legen, Aufstocken
Auch in Potsdam sollen Friseure endlich mehr verdienen – theoretisch. Denn der neue Mindestlohn von 6,50 Euro hat seine Tücken: Nur Angestellte von Innungsbetrieben profitieren davon
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Sie gelten als die Lohnsklaven im Handwerk – die Friseure. Stundenlöhne von weniger als drei Euro sind im Osten nicht selten, in Potsdam vier bis fünf Euro. Selbst die Sprecherin der Handwerkskammer (HWK) Potsdam, Ute Maciejok, nennt das Friseurhandwerk das Schmuddelkind der Handwerksbranche. Nun soll es mehr geben fürs Waschen, Legen, Schneiden, Färben und Föhnen. Jedenfalls theoretisch. Denn ab dem 1. August gilt ein Mindestlohn von 6,50 Euro pro Stunde. In zwei Jahren wird noch einmal aufgestockt – auf 8,50 Euro. Darauf haben sich Gewerkschaft und Friseur-Innung geeinigt. Der Haken: Die Vereinbarung gilt nur für in der Innung organisierte Betriebe. Und in Potsdam sind nach Branchenschätzungen nicht einmal die Hälfte der 131 Betriebe in der Innung. Beim Zwang zum Mindestlohn könnten es noch weniger werden.
Ohnehin sind Arbeitsvertragsgestaltung und Vergütungsregeln in der Friseurbranche sehr undurchsichtig. Zum Stundenlohn kommen häufig Umsatzbeteiligung und Trinkgelder hinzu. Bei der Cut & Care-Family, die in Potsdam 15 Filialen betreibt, könne man so auf bis zu zwölf Euro pro Stunde kommen, sagt deren Vorstandsvorsitzender Ingo Thalmann. „Das hat man aber nicht von heute auf morgen“, sagt er weiter. „Dafür muss man sich erst mal einen Kundenstamm aufbauen.“ Fast 100 Mitarbeiter, meist in Vollzeit, arbeiten bei Cut & Care, teilweise bekommen sie jetzt schon mehr als die 6,50 Euro. In den Salons habe man deshalb schon vor Monaten die Preise erhöht, sagt Thalmann, es gebe kaum finanziellen Spielraum. Die höheren Löhne müssten auf die Preise draufgeschlagen werden.
Auch andere Salons werden ihre Preise anziehen – oder wie bisher ihren Spielraum, was die Entlohnung betrifft, kreativ ausnutzen. Es sei kein Geheimnis, so Ute Maciejok von der HWK, dass besonders viele Friseurinnen zu den Aufstockern gehören, bei denen der Lohn nicht zum Leben reicht und die deshalb zusätzlich Sozialleistungen beziehen. Auch ein Grund, warum die Gewerkschaft Verdi ein flächendeckender Mindestlohn lieber gewesen wäre. „Damit wäre es schwieriger, Schlupflöcher für undurchsichtige Arbeitsvertragsverhältnisse zu finden“, sagt Andreas Splanemann, Verdi-Sprecher von Berlin-Brandenburg. In der Friseurbranche gebe es einen überdurchschnittlich hohen Anteil an 400-Euro-Jobs, die vom Arbeitsamt aufgestockt werden. Scheinselbstständigkeit, sogenannte Werkvertragsarbeit, nehme zu, auch Schwarzarbeit sei weitverbreitet.
In einem Potsdamer Salon, der nicht Innungsmitglied ist, wird zum 1. August eine Mitarbeiterin gesucht. Zu welchen Bedingungen, wollte die Chefin allerdings nicht sagen. Auch Christian Rupprecht, der einen Salon in Babelsberg betreibt, ist nicht Mitglied der Innung. Er zahle, sagt er, seinen Mitarbeitern mit Meisterausbildung schon seit Langem 7,10 Euro. Noch rechne sich das nicht für ihn, aber wichtig sei es ihm doch.
Aus diesem Grund hat Robert Socke, seit vielen Jahren mobiler Stylist, der die Kunden zu Hause frisiert, seinen Salon längst geschlossen. „Ich habe manchmal am Monatsende nur 1000 Euro rausgehabt – dafür aber Verantwortung für einen Laden und meine Mitarbeiter“, sagt er. Heute ist er außerdem als Ausbilder für die HWK tätig. Und weist darauf hin: Mit einem geringen Einkommen ist auch die Finanzierung von Weiterbildung oder gar einer Meisterausbildung problematisch.
Dass ebenso die Nachfrage an dem Ausbildungsberuf zurückgeht, bestätigte Kammersprecherin Maciejok: „Verantwortungsvolle Eltern sagen heute: Na, überleg dir das mal gut.“
Die Friseur-Innung äußerte sich zu dem Thema nur verhalten. Geschäftsführerin Christine Manzl sagte, die Innung freue sich über die stufenweise Annäherung an den Mindestlohn. „Wir wollen, dass die Mitarbeiter von ihrer Arbeit leben können, ohne sich Zuschüsse vom Amt holen zu müssen“. Steffi Pyanoe
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