Landeshauptstadt: Wäschetrocknen auf Pappdach

Da waren nur die Toilettenfrau und sie gestern morgen. Um sieben ist Roos Versteeg aufgestanden von ihrer roten Luftmatratze in den Bahnhofspassagen. Seit Mittwoch wohnt die Kunststudentin dort in einem Raum hinter Glasscheiben – sichtbar für alle Passanten. Die gebürtige Holländerin will herausfinden, wie schnell ein Mensch Beziehungen zu einem Raum aufbaut, am eigenen Leib beobachten, wo das Wohnen beginnt.

Ungewöhnlich sei die erste Nacht gewesen: Ununterbrochen hätten die Lautsprecher auf dem benachbarten Gang Musik gespielt. Das künstliche Licht schien die ganze Zeit in ihren Raum. „So war es wenigstens nicht so gruselig“, sagt Versteeg. Um 5 Uhr morgens ist sie das erste Mal aufgewacht. „Ich habe die Putzfrauen gehört.“ Und dann, das nächste Mal hat sie ein Lied von Simply Red geweckt. „Als erstes bin ich vor die Tür gegangen – an die frische Luft, einmal durchatmen.“

„Es war alles ganz still am Morgen“. Niemand habe komisch geguckt oder sie angesprochen, auch nicht, als sie mit ihrer Zahnbürste und einem roten Handtuch im Bahnhofsklo verschwunden ist. Sie hat auch gleich die Unterwäsche gewaschen. Sie trocknet jetzt auf dem Dach des Pappkartons neben dem Handtuch. Der Karton dient ihr als Regal und ist gleichzeitig Schutz vor all zu neugierigen Blicken der Vorüberziehenden. Manche werden extra langsamer. Und gucken ist ja eigentlich auch erlaubt. Einige Potsdamer und Berliner sind Roos Versteeg extra besuchen gekommen, nachdem sie aus der Zeitung und dem Fernsehen von der Kunstaktion gehört haben. Nur um zu schauen, wie sie es sich in ihrer kleinen Welt so eingerichtet hat. Es sind mehr Kartons dazu gekommen. Aus einem hat die 28-Jährige einen Tisch gebastelt.  

Wenn sie nicht der Kunst wegen in den Bahnhofspassagen wohnt, lebt sie mit ihrem Freund und zwei Katzen in Berlin Friedrichshain, in einer Zwei-Zimmer-Altbauwohung mit Balkon. just

Heute haben sich bei Roos Versteeg Freunde angemeldet. Die PNN begleiten ihre Kunstaktion jeden Tag.