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Landeshauptstadt: Weder Täter noch Opfer erinnern sich

Einem Potsdamer drohen mehr als drei Jahre Haft für schwere Körperverletzung nach einem Streit mit einem ehemaligen Bekannten

Stand:

Viel Alkohol, viel Gewalt und keinerlei Erinnerung: Weil er einen anderen Mann beinahe zu Tode geprügelt haben soll, fordert die Staatsanwaltschaft des Amtsgerichtes Potsdam drei Jahre und sechs Monate Haft für einen 46-jährigen Potsdamer wegen schwerer Körperverletzung. Die Verteidigung forderte Freispruch, da sich weder das Opfer noch der mutmaßliche Täter an die Tat erinnern können und keine Zeugen anwesend waren, weshalb zu wenige Beweise für die Schuld des Angeklagten vorlägen. Das Urteil erfolgt voraussichtlich am 26. Mai.

Am frühen Abend des 20. September 2014 war es zu der folgenschweren Begegnung zwischen den beiden Männern gekommen, die sich von früher kannten und Anfang der 90er-Jahre im Zentrum Ost der gleichen Clique angehörten: Vor dem Kaufland in Potsdam-West traf Michael K., der gerade von einer Geburtstagsfeier kam und bereits alkoholisiert war, auf Frank S., der bereits mehrere Vorstrafen wegen Alkoholdelikten hatte. Die beiden beschlossen, auf die alten Zeiten zu trinken, kauften Bier und Schnaps ein und begaben sich an das nahe liegende Havelufer.

Zeugen beschreiben die Stimmung zwischen den beiden als gut, nach und nach kam es jedoch zu einem Streit, vermutlich um eine Ex-Freundin. Die Männer rangelten miteinander, Michael K. zog sein Hemd aus und Zeugen berichten, sie hätten vernommen, dass Frank S. „Dann kloppen wir uns!“ und „Ich schmeiß dich gleich in die Havel!“ geäußert habe. Wer angefangen hat, ist unklar, Michael. K. schloss nicht aus, dass er wiederholt bei Frank S. nachgefragt habe, ob er etwas mit einer ehemaligen Freundin gehabt habe.

Die Zeugen – Bekannte des Opfers – entfernten sich zu diesem Zeitpunkt jedoch vom Ort des Geschehens, um Bier im Kaufland zu besorgen. Als sie wiederkamen, kam ihnen Frank S. entgegen, der wortlos an ihnen vorbeilief. Auf dem Uferweg fanden sie den lebensgefährlich verletzten Michael K. in einer Blutlache liegen. Er war anscheinend mehrmals geschlagen und getreten worden, hatte Hirnblutungen, mehrere Knochenbrüche, ein Schädelhirntrauma und lag nach der Einlieferung ins Krankenhaus einen Tag im Koma. Der 42-Jährige leidet bis heute an Koordinationsstörungen und Beeinträchtigungen beim Sprechen und Schreiben.

Was genau zwischen den Männern passiert ist, ist dennoch unklar, denn beide geben an, an die Tatzeit keinerlei Erinnerung mehr zu haben: Bei Michael K. wurden nach der Einlieferung ins Krankenhaus 3,1 Promille gemessen, der alkoholkranke Frank S. gab an, an dem Tag fünf Bier sowie eine große und eine kleine Flasche Schnaps getrunken und außerdem mehrere starke Medikamente wegen eines Knieleidens genommen zu haben. Die drei Tage davor hatte er nichts Festes gegessen. Der Anwalt des Geschädigten bezweifelte jedoch, dass eine verminderte Schuldfähigkeit durch Alkohol bei Frank S. vorlag und dieser den Filmriss nur vortäuscht, da er nach der mutmaßlichen Tat laut der Zeugen noch gerade gehen konnte.

Frank S. sei am nächsten Morgen in seiner Wohnung erwacht und hatte braune Flecken auf seinen Turnschuhen entdeckt, ohne sie zuordnen zu können. Er wusch die Schuhe, eine spätere Untersuchung des Landeskriminalamtes konnte keine Spuren von menschlichem Blut auf den Schuhen nachweisen. Laut Aussage einer psychologischen Sachverständigen sei der Angeklagte selber ratlos, wie es zu der mutmaßlichen Tat hatte kommen können. Erik Wenk

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