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Oft geht der Tattoo-Entfernung eine gravierende Veränderung im Leben voraus. Und der Eingriff schafft Platz für Neues.

© Andreas Klaer

Tattoo-Entfernung in Potsdam: Weg mit der Ex

Das neue Potsdamer Studio „tattoolos“ entfernt unliebsame Tattoos und hilft dabei auch Neonazi-Aussteigern. Am Samstag ist offizielle Eröffnung.

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Potsdam - Es tut höllisch weh am Hals. „Bei jedem Stich denkt man, man hätte eine Feder im Kehlkopf“, sagt das Tattoomodel Erik am Dienstag und lächelt trotzdem in die Kameras. Im neuen Studio „tattoolos“ lässt er sich derzeit mit der Laserpistole ein Flügelpaar entfernen. Danach soll ein neues Motiv – ein christliches – her, sagt der Mann, der im ganzen Gesicht Tattoos trägt. Schon kurz nach der Behandlung sei der Schmerz wieder vergessen.

Dienstag in der Gutenbergstraße 89: Die erste Potsdamer Filiale des Studios „tattoolos“ hat zur Vorabbesichtigung eingeladen. Ab Samstag kann man sich hier peinliche Lebensspuren von der Haut entfernen lassen. „tattoolos“ eröffnet seine deutschlandweit zwölfte Filiale. Es geht nicht nur um Arschgeweihe, Namen der Expartner oder Tribals: Frühere Neonazis können sich ihre Hakenkreuze und Reichsadler von der Haut löschen lassen, in Einzelfällen gibt es sogar Zuschüsse: „tattoolos“ kooperiert dazu mit Exit, der Beratungsstelle für Neonazi-Aussteiger.

Und gerade Neonazi-Aussteiger mit rechtsextremen Tätowierungen würden einen besonders hohen Leidensdruck empfinden, sagt Fabian Wichmann von Exit Berlin. „Wir haben öfter mit Leuten zu tun, die im Sommer bei 30 Grad mit Pullover rumlaufen, weil sie ihre Tattoos verdecken wollen.“ Oft könne diese Klientel die Entfernung der häufig großflächigen Tätowierungen nicht bezahlen. In solchen Fällen kann Exit helfen – etwa mit Geldern, die bei „ungewollten Spendenläufen“ eingeworben wurden: Bürger und Firmen spenden bei Neonazi-Aufmärschen meist für jeden gelaufenen Meter Geld an Exit oder Flüchtlingsinitiativen.

Standortleiterin Bosse ließ sich selbst ein Tattoo entfernen

Nach drei Filialen in Berlin – in denen täglich 50 Tätowierungen entfernt werden – wollte „tattoolos“ auch Brandenburg und damit südlicheres Terrain erschließen, sagt Geschäftsführer Markus Lühr. „Wir hatten viele Kunden, die aus Brandenburg nach Berlin gependelt sind, um sich ihre Jugendsünden entfernen zu lassen.“ Aufgrund der Nachfrage sei es in Berlin zu Wartezeiten gekommen.

Die Potsdamer Standortleiterin Soroya Bosse ist durch schmerzhafte Erfahrungen zum Job gekommen: Sie hatte sich vor 20 Jahren ein handflächengroßes Delfin-Tattoo auf den Oberarm stechen lassen. Bald wollte sie die Jugenderinnerung dann aber nicht mehr auf der Haut tragen und ließ es bei „tattoolos“ mit einem neuen Motiv überstechen – der Delfin kostete noch 90 D-Mark, Cover-up und neues Motiv dann 540 Euro.

Das „tattoolos“-Konzept hatte Bosse trotz des Preises überzeugt. Die selbstständige Betriebswirtin suchte nach einem zweiten Standbein und absolvierte eine Ausbildung zur ganzheitlichen Tattoo-Entfernerin. Auf Ganzheitlichkeit legt „tattoolos“ großen Wert. Ziel ist es, alle Inhaltsstoffe der Tattoofarbe, etwa Schwermetalle, aus dem Körper zu leiten.

Der Großteil der Kunden ist weiblich

Offizielle Eröffnung der Filiale im Holländischen Viertel ist am 27. Februar. Ab 16 Uhr warten ein Sektempfang, eine Tombola – bei der es Behandlungsgutscheine zu gewinnen gibt – und ein Tattoomodel als Ansprechpartner auf die Gäste. Standortleiterin Bosse investierte eine fünfstellige Summe in den dreimonatigen Umbau der ehemaligen Zahnarztpraxis.

„Mein Vorteil ist, dass ich sowohl den Schmerz des Tätowierens als auch des Laserns kenne“, sagt Bosse. „Ich kann deshalb gut beraten.“ Grundsätzlich ließen sich dunkle Farben wie Schwarz und Dunkelgrau besser entfernen als Grün- oder Türkistöne. Je nach Größe und Farbe des Tattoos braucht es bis zur Entfernung acht bis zwölf Sitzungen. Eine kostet mindestens 65 Euro – die Preise variieren je nach Ort und Größe des Tattoos.

Etwa 80 Prozent der „tattoolos“-Kunden sind Lühr zufolge weiblich. Nach der Behandlung würden viele von ihnen den Kleiderschrank komplett auswechseln. „Dann können sie auch wieder im ärmellosen Abendkleid ausgehen“, so Lühr. In Deutschland sei mittlerweile etwa jeder Zehnte tätowiert und jeder Vierte davon mit dem Tattoo unzufrieden.

Entfernung des KZ-Arschgeweihs würde bis zu 4800 Euro kosten

Besonders bei Rechtsextremisten sind die gestochenen Motive oft strafrechtlich relevant. Erst im November hatte der NPD-Kreistagsabgeordnete Marcel Zech mit einem Tattoo bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Auf seinem Rücken hat er die Silhouette eines Konzentrationslagers und darunter den Spruch „Jedem das Seine“. Weil er es in einem Schwimmbad öffentlich zeigte, war nach Ansicht des Amtsgerichts Oranienburg der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

Falls sich Zech für einen Ausstieg aus der Neonaziszene entscheiden würde, kann er einen Zuschuss von Exit womöglich gut gebrauchen: Eine Entfernung der Tätowierung würde laut „tattoolos“-Chef Lühr bis zu 4800 Euro kosten.

Mehr Infos zu "tattoolos" >>

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