Landeshauptstadt: Wege und Auswege am Griebnitzsee
Uferweg: Stadt will trotz Anrainer-Vorwürfen nicht mehr verhandeln / Gericht entscheidet am 12. Dezember
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Babelsberg - Die Stadt wird im Uferweg- Streit am Griebnitzsee nicht mehr mit Anrainern verhandeln. „Der Bebauungsplan ist der Kompromiss“, sagte gestern Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) auf PNN-Anfrage. Private und öffentliche Interessen seien abgewogen worden, „und wir haben so viel zugunsten der Grundstückseigentümer nachgedacht, dass ich nicht wüsste, was man noch mehr machen kann“, so Exner. Die Stadtverordneten sollen den Bebauungsplan kommenden Mittwoch beschließen. Dafür sehe er eine Mehrheit. Sobald der Plan in Kraft sei und erwartete Klagen dagegen entschieden, herrsche Rechtsfrieden am Griebnitzsee, sagte Exner.
Er reagierte damit auf öffentliche Äußerungen des Griebnitzsee-Anrainers und Rechtsanwalts Kay Jacobsen vom Donnerstag (PNN berichteten). Jacobsen gehört zu den etwa zwölf Anrainern, die vor knapp drei Wochen den Uferweg für 36 Stunden mit Flatterbändern und Einsatz von angeblichen Wachschützern gesperrt hatten. Die Stadt konnte nach einer Eilentscheidung des Potsdamer Verwaltungsgerichts die Sperren wieder beseitigen – das Gericht hatte die Sperrung des Uferwegs nach einer „Interessenabwägung“ als rechtswidrigen Eingriff in den Straßenverkehr gewertet, da der Weg durch Verkehrsschilder als Fahrradweg gekennzeichnet sei.
Damit ist allerdings keine juristische Entscheidung darüber gefallen, ob der Uferweg ein öffentlicher Weg ist. Diese wird für den 12. Dezember erwartet, bestätigte gestern Exner. Dann will das Gericht bei einem Vor-Ort-Termin klären, ob es am Griebnitzsee so genannte Betretungsrechte nach brandenburgischem Naturschutzgesetz gibt. Darauf setzt die Stadt – sie wertet den Uferstreifen als „freie Landschaft“, und diese ist laut Gesetz für jeden zugänglich.
Für die Anrainer, die den Uferweg gesperrt hatten, ist diese Argumentation wenig nachvollziehbar, wie Jacobsen deutlich machte. Er warf der Stadt vor, den Uferstreifen mit Absicht verwildern zu lassen, damit das Gericht ihn als „freie Landschaft“ werte – das sei „perfide“. Er selbst habe eine Ordnungsverfügung von der Stadt erhalten, weil er auf seinem Ufer-Grundstück Rasen gemäht habe.
Doch Jacobsen erhebt nicht nur diesen Vorwurf: Er übte Generalkritik am Vorgehen der Stadt im Uferweg-Streit. Bereits seit 1991 die Aufstellung eines Bebauungsplans von den Stadtverordneten beschlossen worden sei, sei vieles „krumm“ gelaufen (PNN berichteten). Jetzt ginge es kaum noch um den Weg, sondern ums Prinzip – die Stadt spiele „arm und reich“, „sozial und asozial“ gegeneinander aus. Sie signalisiere, mit den Anrainern gar nicht mehr reden zu müssen. Die Stadt habe zwar das Recht, einen öffentlichen Uferweg zu wollen und könne auch ihre Hoheitsrechte ausüben, so Jacobsen. Dabei müsse sie sich aber an die gesetzlichen Regeln halten. Weil dies nicht der Fall sei, hätten sich die Anrainer – die sich im Übrigen nicht in einer Gruppe oder einem Verein zusammengeschlossen hätten – zur jüngsten Sperraktion entschlossen. „Wir konnten nicht mehr zulassen, dass die Stadt so mit uns umgeht“, so Jacobsen. Dass es bei der Sperrung auch darum ging, sich in eine gute Verhandlungsposition zu bringen, daraus machte der Anrainer keinen Hehl: Hätte das Gericht zugunsten der Sperr-Anrainer entschieden, „wäre Potsdam gezwungen gewesen, sein Ziel mit ordnungsgemäßen Mitteln umzusetzen“, sagte Jacobsen.
Jacobsens Meinung nach hat die Stadt seit Beginn des Konflikts „mit falschen Karten gespielt“. So habe Potsdam 1992 zwar den Bund darum gebeten, den ehemaligen Kolonnenweg der DDR-Grenzer, der heute der Uferweg ist, zu belassen – die geforderten Einverständniserklärungen der Grundstückseigentümer habe die Stadt aber nie vorgelegt; zumindest gehe das aus den nur unvollständig archivierten Akten hervor. Später habe die Stadt mit ihrem Versuch, beim Bund eine „Vermögenszuordnung“ für den Uferweg zu erwirken, offenbar bewusst Restitutionsverfahren verzögern wollen. Denn die Argumentation, Potsdam sei für die Landesverteidigung zuständig und brauche das Ufer deshalb sei offensichtlich abwegig gewesen, so Jacobsen. Das Bundesverwaltungsgericht habe die „Vermögenszuordnung“ 2003 abgelehnt. Jacobsen wirft der Stadt außerdem vor, bei den Kompromissverhandlungen mit den Anrainern 2005 hinter deren Rücken Forderungen nicht erfüllt zu haben. So sei der Kompromiss „aufgeflogen“, als den Anrainern klar geworden sei, dass die Stadt den Weg weder wie gefordert für Radfahrer sperren – laut Jacobsen sind derzeit am Wochenende zwischen 1600 und 1800 meist Radler unterwegs – noch nachts schließen werde.
Bürgermeister Exner wies die Vorwürfe von Jacobsen gestern als absurd zurück. Die Stadt habe nie Zweifel daran gelassen, dass sie den Weg nicht für Radfahrer sperren werde. Auch die nächtliche Schließung sei von vornherein abgelehnt worden. Um dem „berechtigten Interesse“ der Anrainer nach Ruhe und Sicherheit nachts gerecht zu werden, soll es laut Exner eine Parkordnung geben.
Dass sich mit Jacobsen die Sperr-Anrainer nun öffentlich zu Wort gemeldet haben, wertete Exner als „letztes Aufbäumen“, bevor der Bebauungsplan beschlossen werde. Dass die Stadt den Plan dann in der Schublade lassen wolle um Schadenersatzforderungen zu entgehen, wie Jacobsen vermutete, nannte Exner einen „verschrobenen Gedanken“. Schadenersatz müsse die Stadt nur zahlen, wenn der Bebauungsplan samt öffentlichem Weg „relevant wertmindernd“ auswirke – dies sei aber in der Regel nicht der Fall, wenn der Uferstreifen juristisch als „freie Landschaft“ gewertet werde.
Exner machte deutlich, dass die Stadt weiter auf eine Einigung mit den Anrainern hofft. Eine Mehrheit von ihnen wolle den öffentlichen Weg bereits, er setze auf „Akzeptanz, Vernunft und Einsicht“ bei jenen, die dagegen seien. Enteignungen der Privatflächen seien das letzte Mittel. „Wir wollen keine Zwangsmaßnahmen und müssen kein Eigentum haben, die Dienstbarkeit für den Weg reicht uns.“ Für dieses Wegerecht können die Anrainer laut Bebauungsplan den Uferweg zum Wasser hin verschieben, ihre Gärten somit vergrößern und historisch belegte Bootshäuser wieder errichten.
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