Von Antje Horn-Conrad: Weggehen und Wiederkommen
Die ersten LER-Absolventen gelangen nur über Umwege in brandenburgische Schulen / Institut gegründet
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Skeptisch ist Bildungsminister Holger Rupprecht gewesen, als Brandenburg in den 90-er Jahren begann, an den Schulen Lebensgestaltung, Ethik und Religionskunde (LER) zu unterrichten. Damals leitete er das Potsdamer Humboldt-Gymnasium und konnte sich schwer vorstellen, wie es gelingen soll, in einem einzelnen Fach die großen Weltreligionen zu erklären, ethische Probleme zu diskutieren, über den Sinn des Lebens nachzudenken und überdies auch noch Werte zu vermitteln. Eine Mammutaufgabe, auch eine Überforderung, zumal es dafür keine Lehrkräfte gab.
Seine Skepsis hat sich gelegt. Das Fach ist etabliert und wird inzwischen von rund 750 fortgebildeten Lehrkräften landesweit angeboten. Und nun gibt es sogar die ersten fünfzehn in einem grundständigen Studiengang ausgebildeten Fachlehrer für LER. Absolventen der Universität Potsdam, die unlängst bei der Festveranstaltung zum fünfjährigen Bestehen des Studiengangs in die pädagogische Praxis verabschiedet wurden. Die allerdings liegt nicht zwangsläufig im Land Brandenburg.
Holger Rupprecht, der sich über den Nachwuchs freute und beteuerte, wie sehr die Schulen auf die Innovationen einer neuen Lehrergeneration angewiesen sind, konnte den Absolventen in seiner Grußrede nicht versprechen, dass sie alle in Brandenburg einen Platz für ihr Referendariat erhalten. Noch bis Ende Februar läuft hierfür die Bewerbungsfrist. Entscheidend für eine Zusage ist vor allem die Examensnote der Absolventen, aber auch der konkrete Bedarf. Und der ist, so paradox es klingt, im Moment noch nicht gegeben. Grund sind vor allem die zurückgehenden Schülerzahlen. Doch die Situation wird sich sehr schnell ändern. „Wir steuern auf schwierige Zeiten zu“, sagte der Bildungsminister.
Die Altersstruktur der Kollegien an brandenburgischen Schulen liege im Durchschnitt bei 50 Jahren, teils sogar darüber. Schon bald würden sehr viele junge Lehrer gebraucht, und so appellierte Rupprecht an die Absolventen, sich für ein Referendariat auch in anderen Bundesländern zu bewerben, die Ausbildung dort zügig zu beenden und dann nach Brandenburg zurückzukehren. Hier lägen die Zukunftsperspektiven.
Für die Studierenden war das ein schwacher Trost. Sie hatten sich für den bundesweit einzigartigen Studiengang LER an der Universität Potsdam entschieden, um das nur in Brandenburg in dieser Konstellation angebotene Fach inhaltlich und methodisch voranzubringen. Nun sollen sie einen Umweg über den Ethik- oder Philosophieunterricht in anderen Bundesländern nehmen. „Wie attraktiv wird Brandenburg dann noch für eine Rückkehr sein?“, fragte eine Absolventin in die Festrunde im Audimax.
Gerade erst ist der LER-Fachbereich zum eigenständigen Institut der Philosophischen Fakultät ernannt worden. Eine Anerkennung der Pionierleistung des Studiengangs, den Vizepräsident Thomas Grünewald als eines der ambitioniertesten Projekte der Universität und des Landes bezeichnete und der für die Lehrerbildung in Brandenburg ein Alleinstellungsmerkmal darstelle. Die interdisziplinäre Vernetzung von Philosophie, Psychologie, Soziologie und Religionswissenschaften sei nur hier so gegeben.
Auch wenn der erste Absolventenjahrgang vielleicht nur über Umwege in brandenburgische Schulen gelangen wird, blickt das neue Institut mit derzeit 300 Studierenden zuversichtlich in die Zukunft. Der Religionswissenschaftler Johann Ev. Hafner machte auf der Festveranstaltung einige Perspektiven auf, indem er unter anderem vorschlug, LER künftig auch in höheren Klassen, also in der Sekundarstufe II zu unterrichten. Die Stärke des Fachs liege darin, die Argumentationsfreude der Schüler zu nutzen und die Heranwachsenden von der reinen Meinungsäußerung zur Begründung ihrer Überzeugungen zu bringen.
Von wissenschaftlicher Seite drängte Haffner, im Institut intensiv an einer noch immer fehlenden Handreichung, einem Lehrbuch zu arbeiten.
Antje Horn-Conrad
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