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Lammfromm. Die Aktion soll den Toleranz-Gedanken fördern

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Weiderecht für drei Tage

Die Kunstaktion „Friedensherde“ aus 87 blauen Kunststoff-Schafen gastiert in Potsdam

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Innenstadt – Lila Kühe kennt jeder, aber blaue Schafe? 87 Stück davon grasten am Freitag vor dem Brandenburger Tor auf einer großen Kunstrasenfläche und riefen bei Potsdamern und Touristen viel Staunen hervor. „Die blaue Friedensherde erhält für drei Tage Weiderecht in Potsdam“, verkündete der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Peter Schüler (Grüne), bei der feierlichen Übergabe eines der Schafe durch den Aktionskünstler Rainer Bonk. Am Samstag wird die Herde auf dem Platz der Einheit weiden, am Sonntag am Nauener Tor.

„Die Schafsherde symbolisiert eine friedliche Gesellschaft“, sagt Bonk über die Aktion, die er zusammen mit der Künstlerin Bertamaria Reetz ins Leben gerufen hat. Als deutscher Beitrag für die Kunstausstellung „OPEN 12“ 2009 in Venedig startete das Projekt damals: Die 87 Schafe aus Polyesterharz stehen für die Zahl der Städte, welche die Herde schon einmal aufgenommen hat, darunter Brüssel, Meran und viele deutsche Großstädte. Auch Prominenten wie Alt-Bundespräsident Walter Scheel oder Liedermacher Hermann van Veen konnten die „Blauschäfer“ bereits ein Schaf überreichen. Derzeit befindet sich die Schafsherde auf einer dreijährigen Europatour.

„Die Aktion gefällt mir gut“, sagt die 79-jährige Potsdamerin Christa Shul, „ich schaue mir die Schafe morgen gleich noch mal an!“ Anfassen darf man die Installation nicht; für Kinder stehen aber zwei extra Schafe bereit, die auch ausgiebig zum Reiten genutzt werden. „Schöner wäre es auf einem richtigen Rasen“, meint die 69-jährige Waltraud Schulze aus Potsdam. Die Symbolik finde sie gut: „Blau ist die Farbe der Einheit.“

Damit erfüllt sich die Absicht des Künstler-Duos: „Die Frage, warum die Schafe blau sind, kommt immer als erstes. Dadurch überlegt man, wofür blau stehen kann“, so Bonk, laut dem Blau immer etwas Verbindendes symbolisiere: „Es ist die Farbe der EU, der UNO, der Unesco, der NATO und von Unicef.“ Natürlich habe eine Schafsherde auch negative Assoziationen, sagt Bonk: „Aber das Projekt ist nicht gegen Individualität gerichtet, die blauen Schafe stehen für Toleranz.“ Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass die Schafsmodelle alle gleich gefertigt sind. „Alle sind gleich – jeder ist wichtig“, so lautet die zentrale Aussage. „Die Friedensherde ist kein völlig abgedrehtes Kunstprojekt“, sagt Bonk, „es ist eine einfache Botschaft, die niemanden ausgrenzt.“

Manchen gefällt das so gut, dass sie gleich eines der Kunststoff-Tiere kaufen, zum Beispiel der Gartenarchitekt Dirk Schelhorn aus Frankfurt am Main: „Temporäre Kunst gibt es in Städten viel zu wenig – wir werden dieses Projekt sozusagen bei uns zu Hause fortsetzen.“ Das 120 Euro teure Kunstobjekt soll in den Garten der Schelhorns kommen: „Und jeder wird uns fragen, was das blaue Schaf da soll“, scherzt Schelhorn.

Die Schafe standen schon vor dem EU-Parlament in Straßburg, laut Bonk gibt es auch eine Anfrage aus Istanbul und demnächst solle in Karlsruhe eine Europa-Schule gegründet werden, bei der Delegierte aus allen 27 EU-Staaten je ein blaues Schaf erhalten. Derzeit befinden sich sogar 177 Schafe in Katar: „Ein Scheich hatte sie bei einer Ausstellung in Düsseldorf gesehen und war so begeistert, dass er sie auch bei sich haben wollte“, sagt Bonk. Das freue ihn besonders, weil es sich um ein muslimisches Land handelt und die Botschaft dort genauso universell anzukommen scheine.

Langfristig plant das Künstler-Duo mit seiner Friedensherde in 250 Städte zu „weiden“, dann, so Bonk, soll es eine Groß-Installation mit 250 Schafen auf dem Markusplatz in Venedig geben, wo das Projekt gestartet war. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Schafe später einmal als optischer Akzent für internationale Friedenskonferenzen dienen könnten“, sagt der Künstler. Erik Wenk

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