"Dîner en Blanc" in Potsdam: Weißes Speisen auf dem Platz der Einheit
200 weiß gekleidete Menschen picknickten auf dem Platz der Einheit: Potsdam feierte sein fünftes "Dîner en Blanc". Erst kurz vorher wurde bekannt, wo das Massenpicknick überhaupt stattfinden soll.
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Potsdam - Maria faltet eine weiße Tischdecke zusammen, legt sie säuberlich in eine Kiste. Darin: eine weiße Blumenvase, weißes Geschirr, Besteck, vier weiße Kerzen und ein Kerzenständer – ebenfalls in weiß. Ihr Kleid für den heutigen Abend: weiß. Auch Schuhe, Armband und Haarspange haben diese Farbe. Wie Maria haben sich sich am vergangenen Samstag viele Potsdamer vorbereitet. Der Anlass: das fünfte „Dîner En Blanc“, ein privat veranstaltetes Massenpicknick mit, wie es im Internet heißt, „Flashmob-Charakter“. Die Veranstalter sind Freunde oder Bekannte von Freunden, eine genaue Person wird nicht genannt. Genauso der Ort, bis kurz vor Schluss bleibt er geheim.
Erst als sich gegen 19 Uhr alle Teilnehmer an den drei im sozialen Netzwerk Facebook bekannt gegebenen Sammelpunkten eingefunden haben, wird er verkündet – dieses Mal ist es der Platz der Einheit.
„Dîner En Blanc“ am Luisenplatz, Havelufer, Lustgarten
Zum ersten Mal fand das „Dîner En Blanc“ 2011 am Luisenplatz statt, danach war es das Havelufer. 2013 kamen knapp 400 Gäste zum Lustgarten am Stadtschloss und im letzten Jahr traf man sich am Babelsberger Filmpark vor der Kulisse der Vulkanarena.
Maria packt die Kiste unter den Arm, streift sich die weiße Tasche über die Schulter und radelt los. Ihr Fahrrad ist auffällig grün, zwischen all dem weiß. „Ich werde es wohl in einiger Entfernung zum Treffpunkt abstellen müssen“, sagt sie mit einem Lachen. Die Sammelpunkte, von denen die Teilnehmer zu dem Treffpunkt des Dinners gehen, sind zunächst ebenfalls unbekannt. Erst wenige Stunde vor dem Event werden sie über Facebook bekannt gegeben.
Ursprung in Paris
Massenpicknicks ganz in Weiß finden mittlerweile auf der ganzen Welt statt. In Paris hat das Event seinen Ursprung: 1988 soll es gewesen sein, als ein Franzose seine Gartenparty aus Platzgründen in den nahe gelegenen Wald von Boulogne im Westen von Paris verlegte. Von da an traf man sich jeden Juni an einem Ort in Paris zum gemeinsamen Dîner. Verpflichtend für alle Teilnehmer: In Weiß gekleidet zu sein, von Kopf bis Fuß. Außerdem sollte man ein kaltes Drei-Gänge-Menü dabei haben sowie Tisch und Stuhl und ein paar Tischdekorationen. Was damals in Paris nur einer ausgewählten Gruppe vorbehalten war, erfreut sich heute allgemein und generationsübergreifend großer Beliebtheit.
Gegen 19 Uhr ist es soweit: Durch die weiße Menge an der Schwertfegerstraße Ecke Friedrich-Ebert-Straße – einem der drei Sammelpunkte – geht ein Raunen: Auf dem Platz der Einheit soll es sein, das diesjährige Dîner in weiß. Woher die Information über den geheimen Treffpunkt kommt, bleibt unklar.
Geburtstagsfeier für Familie Schneeweiß
Schnell bauen alle ihre Tische und Stühle auf, stellen die mitgebrachten kalten Speisen, Getränke, Kerzen und weiße Blumen auf die Tische. Auf Marias Tisch steht eine weiße Étagère, kleine Pralinen liegen darauf. Schnell ist man in Gespräche mit den Picknickern am Nachbartisch verwickelt. Da sitzt Familie Schneeweiß – der Name ist echt, kein Scherz. Die fünfköpfige Familie sieht das abendliche Picknick als Anlass gemeinsam zu essen. Wenn auch nicht zufällig: Tochter Julia hat das Event ganz bewusst gewählt. Die Mutter, Heike Schneeweiß, feiert ihren Geburtstag. Ihr Wunsch: ein Dîner En Blanc, mit der ganzen Familie. „So kann man doch den Sommer genießen“, sagt Julia und setzt sich an den reichlich gedeckten Tisch. Fleischbällchen, Spieße, Tortilla und Dips, auf den elegant-gedeckten Tischen findet man allerlei Köstliches. Jochen, Sina und Bärbel aus Berlin haben einen Nachtisch aus Früchten und Quark mitgebracht. Bis das Dinner um 19.30 Uhr offiziell beginnt, knabbern sie noch ein paar Nüsse und trinken den ersten Sekt dazu. „Wir haben ordentlich Hunger mitgebracht“, sagt Jochen, als er erneut in die Schale greift.
Klassische Musik, im Hintergrund die Kuppel der Nikolaikirche
Plötzlich ziehen alle Teilnehmer weiße Tücher hervor, wedeln mit ihnen durch die Luft. Der Startpfiff. Das Dîner ist eröffnet. Auf den Treppen, auf der Wiese – überall sitzen die weiß gekleidete Menschen, essen und trinken, genießen die mittlerweile etwas abgekühlte Abendluft. Das Wetter scheint mitzuspielen. „Und wenn es regnet, holen wir unsere große Plane hervor“, sagt Julia, die weißen Federschmuck auf dem Kopf trägt und eine weiße Stola um die Schultern. Fehlt etwas? „Vielleicht ein bisschen Musik.“ Manche haben auch da eine Lösung: Vor einem kleinen Busch haben drei Freunde ein Kofferradio aufgestellt. Klassische Musik spielt es – passend zum Ambiente auf dem Platz der Einheit, im Hintergrund die Kuppel der Nikolaikirche. Noch wird sie von den letzten Sonnenstrahlen beleuchtet, bis sich die Dunkelheit über den Platz legt und die vielen Kerzen mit den weißen Kleidern um die Wette strahlen.
Sophie nimmt mit ihren Freundinnen Ireen und Josephine zum ersten Mal am Dîner in Potsdam teil. Die drei beäugten das Treffen zunächst kritisch, wollten eigentlich ganz in rot kommen. Doch der „Zwang zur Konformität siegte letzten Endes“, sagt Ireen und lacht. Und die gefällt ihnen auf dem Platz der Einheit so ganz in weiß dann doch ganz gut. Im nächsten Jahr wollen sie wieder dabei sein.
Anna Bückmann
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