
© Karla Fritze
Forschung und Lehre an der Universität Potsdam: Weit mehr als Sanssouci
Wie die Universität Potsdam ihre Forschung profiliert, mit Exzellenz in der Lehre Fachkräfte ausbildet und Gründerideen fördert.
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Auf dem Rasen liegend und lesend genießen die Studierenden die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres. Es ist Sommersemester an der Universität Potsdam. In den Gebäuden herrscht reges Kommen und Gehen. 20 000 Studentinnen und Studenten werden hier in Bachelor-, forschungsorientierten Master- und international nachgefragten Promotionsprogrammen ausgebildet. Innovative Studiengänge wie Inklusionspädagogik, Patholinguistik oder auch Jüdische Theologie setzen standortspezifische Akzente, die gut angenommen werden. Auf jeden unserer Studienplätze gibt es durchschnittlich sechs Bewerbungen. Brandenburgs größte und forschungsstärkste Hochschule fungiert als intellektueller Kristallisationspunkt, als Ort des geistigen und kulturellen Austauschs.
Um diese Rolle in einem Flächenstaat wie Brandenburg wirksam wahrnehmen zu können, ist eine hinreichende fachliche Breite des Lehr- und Forschungsangebots unverzichtbar. Wichtig ist, noch mehr hochqualifizierte Studierende und Nachwuchswissenschaftler – natürlich auch aus dem Ausland – nach Brandenburg zu holen und nach erfolgreicher Qualifikation im Land zu halten.
Hier hat Brandenburg viel zu bieten, und zwar nicht nur in Bezug auf eine wissenschaftliche Laufbahn. Fast ein Viertel unserer Studierenden bereiten sich auf das Lehramt vor, viele von ihnen werden als Lehrerinnen und Lehrer im Lande bleiben. Andere Absolventen streben eine Laufbahn in der Wirtschaft an. Hierbei helfen die in den letzten Jahren stark intensivierten Transferaktivitäten der Universität Potsdam sowie die guten Kontakte zu einer Vielzahl brandenburgischer Unternehmen und regionaler Verbände. Die Kooperation der Universität mit den in der Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg definierten Clustern soll weiter ausgebaut werden. Einrichtungen wie der kürzlich begründete „Partnerkreis Industrie und Wirtschaft“ helfen bei der Vermittlung und motivieren unsere Absolventen dazu, als Fachkräfte und Firmengründer in Brandenburg das Land als Wirtschaftsstandort zu stärken.
Die Universität Potsdam gehört zu den besten Gründerhochschulen
Die Universität Potsdam gehörte im vergangenen Jahr mit etwa 50 Ausgründungen und mehreren EXIST-Gründerstipendien erneut zu den besten Gründerhochschulen Deutschlands. Im nationalen Gründerranking des Stifterverbandes hat sie in der Kategorie der großen Hochschulen den fünften Platz belegt. Unter den nichttechnischen Universitäten in Deutschland sind wir sogar die Nummer eins. Dieses hohe Niveau gilt es zu halten.
Unsere Forschungsparadigmen reichen von der Individualforschung bis zu großen strukturbildenden Verbundprojekten, in denen unter universitärer Federführung und in enger Zusammenarbeit mit den umliegenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen komplexe, disziplinübergreifende wissenschaftliche Herausforderungen angegangen werden.
Dieser Beitrag erschien in der Beilage "Universität Potsdam - Neues aus Forschung und Lehre" am 16. Mai 2015. Die gesamte Beilage finden Sie zum Download hier >>
Erst kürzlich haben wir die hochschulinterne Forschungsförderung neu geordnet und vier universitäre Forschungsschwerpunkte eingerichtet: Erdwissenschaften/Integrierte Erdsystemanalyse, Funktionelle Ökologie und Evolutionsforschung, Kognitionswissenschaften sowie Pflanzengenomforschung und Systembiologie. Auf Fakultätsebene werden die Verwaltungswissenschaften sowie die Themen „Funktionale Weiche Materie“ und „Komplexe Systeme“ gefördert. Drittens gibt es eine Anschubfinanzierung für neue Initiativen: In den Gesundheitswissenschaften wurde gerade eine solche Forschungsinitiative auf den Weg gebracht, und die Eröffnung des zusammen mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten organisierten Research Center Sanssouci (ReCS) steht unmittelbar bevor.
Neues Tenure-Track-Programm rekrutiert erstklassige Nachwuchswissenschaftler
Um erstklassige Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu gewinnen, wurde 2013 ein Tenure-Track-Programm aufgelegt, mit dem ein schrittweiser Aufstieg von einer W1-Juniorprofessur auf eine voll ausgestattete Lebenszeitprofessur vor Ort möglich ist. Kurzfristig sollen 30 bis 50 Prozent aller frei werdenden Professuren auf diese Weise – im Regelfall vorzeitig – nachbesetzt werden.
„Joint Labs“, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität und der zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen gemeinsam arbeiten und Infrastrukturen nutzen, entfalten eine enorme Hebelwirkung. Zahlreiche Professorinnen und Professoren der Universität nehmen Leitungsfunktionen in den uns umgebenden Instituten der Helmholtz-Gemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft wahr. Ebenso zum Beispiel im Abraham Geiger Kolleg, im Hasso-Plattner-Institut, im Institute for Advanced Sustainability Studies oder im Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien. Gemeinsam konzipierte Angebotspakete erwiesen sich bei der Berufung hochkarätiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, insbesondere auch aus dem Ausland, oft als entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist ein wichtiges langfristiges Ziel der Universität Potsdam. Unsere Internationalisierungsstrategie soll die globale Sichtbarkeit verstärken und die internationale Zusammenarbeit fördern, vor allem hinsichtlich des Austauschs von Studierenden und Wissenschaftlern, aber auch über Graduiertenkollegs und gemeinsame Forschungsprojekte. Im Fokus steht dabei etwa die Etablierung eines „Campus International“ mit einer lebendigen Willkommenskultur, mehrsprachigen Studien- und Fortbildungsangeboten sowie vereinfachten Regelungen für die Integration von Auslandsaufenthalten in unsere Studienprogramme.
Ziel: ausgewogenes Verhältnis von Master- zu Bachelorstudienplätzen
Um dem Profil einer Forschungsuniversität noch stärker als bisher zu entsprechen, soll in den kommenden Jahren das Angebot der Master- und Promotionsstudienplätze ausgebaut werden. Ziel ist ein mindestens ausgewogenes Verhältnis von Master- zu Bachelorstudienplätzen. Strukturierte Promotionsprogramme sind wesentlicher Teil der Qualitätsstrategie zur Verbesserung der Betreuung in der Promotionsphase. Dass wir hier richtig liegen, zeigen die jüngsten Förderentscheidungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die in Potsdam gleich drei neue Graduiertenkollegs einrichten wird. Das hat keine andere deutsche Universität geschafft. Alle drei Kollegs sind thematisch in unseren universitären Forschungsschwerpunkten verortet.
Dank der erfolgreichen Systemakkreditierung besitzt die Universität Potsdam die geeigneten Instrumente, um ihre Studiengänge mit hohem Anspruch selbst weiterzuentwickeln. Darauf aufbauend soll das bestehende Qualitätsmanagement zu einer „Potsdamer Qualitätskultur“ ausgebaut werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist das soeben gegründete, fakultätsübergreifende Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung. Diese neue, bundesweit einmalige Konstruktion erlaubt es, besser untersuchen zu können, wie Schule heute „funktioniert“, und die Ergebnisse der Forschung direkt in die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte einfließen zu lassen.
Daneben ergeben sich durch die Öffnung des Hochschulzugangs ganz neue Herausforderungen. Inzwischen gehen über 50 Prozent einer Alterskohorte auf das Gymnasium, die meisten davon machen Abitur. Derart große Kohorten sind naturgemäß deutlich heterogener als die 15 bis 20 Prozent Abiturienten, die in den 70er- und 80er-Jahren üblich waren, als viele der Entscheidungsträger von heute die Schulbank drückten. Auf der Hochschulebene findet diese Heterogenität ihre Fortsetzung. Von denen, die ein Abitur machen, nehmen die meisten anschließend ein Studium auf. Dazu kommen Studienanfänger, die über andere Berufswege – etwa einen Meister – ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Im Ergebnis besitzen viele Erstsemester zwar eine Hochschulzugangsberechtigung, aber keine Hochschulreife. Wir sind wie viele andere Hochschulen bemüht, das Problem über Brückenkurse und Collegestrukturen abzufedern, soweit uns das in Anbetracht der begrenzten Ressourcen möglich ist. Doch auch Brückenkurse können die elementare Einsicht nicht außer Kraft setzen, dass nicht jeder Mensch für jedes Fach geeignet ist. Nun will niemand das Rad zurückdrehen, was den Zugang zur höheren Bildung für alle gesellschaftlichen Schichten angeht. Hier besteht nach wie vor Nachholbedarf, insbesondere was die Ansprache bildungsferner Milieus und junger Menschen mit Migrationshintergrund angeht. Der freie Zugang muss aber durch flankierende Maßnahmen komplementiert werden.
Ein besseres Beratungssystem wird benötigt
So muss erstens an den Universitäten das Betreuungsverhältnis wesentlich verbessert werden. Unverzichtbar bleibt zweitens ein Leistungsprinzip, das eine mangelhafte Eignung oder eine unzureichende Leistungsbereitschaft früh erkennen lässt. Drittens brauchen wir ein verbessertes Beratungssystem, das junge Menschen früh dabei unterstützt, die für sie passende Ausbildungsstruktur zu finden. Selbsttests vor Studienbeginn können bei der Suche nach dem richtigen Fach sehr hilfreich sein. Wenn es mit dem gewählten Studium trotzdem nicht klappt, darf ein Studienabbruch keine Katastrophe bedeuten. Vielmehr sollten die Hochschulen sich bemühen, eine solche Konsequenz früh zu ziehen und dann aber auch Alternativen aufzeigen – sei es an einem anderen Hochschultyp, im dualen Bereich oder im Handwerk.
Um vor diesem Hintergrund die Zahl der Studierenden an der Universität Potsdam bei etwa 20 000 zu halten, ist eine auskömmliche Grundfinanzierung unabdingbar. Finanzielle Spielräume, wie sie zum Beispiel durch die Übernahme der Bafög-Finanzierung durch den Bund entstanden sind, müssen insbesondere auch den Universitäten zugutekommen. In Brandenburg ist derzeit bedauerlicherweise geplant, den Löwenanteil der eingesparten Bafög-Mittel anderweitig zu verwenden. Daneben kann der Gesetzgeber über Zugeständnisse bei der Hochschulautonomie und eine weitere Flexibilisierung der Vorgaben zur Mittelverwendung dazu beitragen, die Effekte der anhaltenden Unterfinanzierung abzufedern. So manche der in anderen Bundesländern etablierten staatlichen Stiftungsuniversitäten können hier als Vorbild dienen.
Bauliche Erweiterungen sind geplant
Wettbewerbsfähige Forschung erfordert schließlich entsprechende Räume. Aus diesem Grund sind an unseren Standorten am Neuen Palais, in Golm, am Griebnitzsee und auch in Rehbrücke bauliche Erweiterungen geplant. Vorgesehen ist insbesondere eine tiefgreifende Umgestaltung des im Weltkulturerbe liegenden Campus Am Neuen Palais. Der erste Preis im Architektenwettbewerb ging an den Entwurf des Berliner Büros Bruno Fioretti Marquez. Im ersten Bauabschnitt entsteht bis 2019 ein interessanter Neubau, der nicht nur bessere Bedingungen für Forschung und Lehre, sondern auch viel Raum für Begegnungen und zur Kommunikation bietet.
Aber auch schon jetzt ist die Universität Potsdam einen Besuch wert. Der Regionalexpress braucht vom Berliner Bahnhof Zoo nur etwa eine halbe Stunde. Eine gute Gelegenheit bietet am 18. Juni um 14 Uhr die feierliche Absolventenverabschiedung vor der beeindruckenden Kulisse der Kolonnade am Neuen Palais.
Der Autor ist Präsident der Universität Potsdam
Oliver Günther
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