Landeshauptstadt: Weltkulturerbe – ein unnützer Titel? Rundtischgespräch in der Villa Arnim
Der Publizist Alexander Gauland zeigte sich verwundert, dass die Musikfestspiele ihn als Moderator einer Runde zum Thema „Unesco-Welterbe – Fluch oder Segen?“ einluden.
Stand:
Der Publizist Alexander Gauland zeigte sich verwundert, dass die Musikfestspiele ihn als Moderator einer Runde zum Thema „Unesco-Welterbe – Fluch oder Segen?“ einluden. „Wahrscheinlich, weil ich die Frage aufgeworfen habe, was dieser Titel eigentlich nützt“, erklärte er am Samstagabend am großen runden Tisch in der Villa Arnim.
Die Veranstalter hatten die Idee, einen nicht ganz ernst gemeinten historischen Geheimzirkel aus dem Jahre 1728, nämlich die „Gesellschaft zur Bekämpfung der Nüchternheit“, wieder zu beleben. Versammelt um einen runden Tisch ließen damals der Überlieferung zufolge Sachsenkönig August der Starke und der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. die höfische Etikette hinter sich, um mit den engsten Vertrauten lebenslustig zu feiern und zu diskutieren.
„Was nützt der Titel Weltkulturerbe?“, wiederholte Gauland seine alten Zweifel. Eine „unverantwortliche Gruppe von Leuten“, würde darüber befinden, was als Kulturerbe gelten solle. Diese Position ließ die Wogen in der Diskussionsrunde, in der Fachleute aus Sachsen und Brandenburg zusammensaßen, hoch schlagen. Natürlich spielten die Dresdener die Bedeutung des Titels nach der Aberkennung für das Dresdener Elbtal wegen der Waldschlösschenbrücke herunter. „Es ist ein Irrtum, dass dadurch die Touristenzahlen abstürzen“, sagt Hans-Jürgen Goller, Geschäftsführer der sächsischen Tourismus Marketing Gesellschaft. „Die Unesco agiert politisch“, so ein Vorwurf.
Heinz Berg von der Stiftung „Pro Sanssouci“ sieht den Unesco-Titel von der pekuniären Seite. Die Bundesregierung fördert die Schlösser und Gärten mit 15 Millionen Euro pro Jahr. „Das sind Bayerische Steuergroschen“, spitzt er zu. Gauland hingegen meint, dass es dieses Umwegs über das Welterbe-Komitee nicht bedürfe. „Das müsste ins Grundgesetz“, also gesetzlich geregelt werden.
Frank-Walter Hülsenbeck vom brandenburgischen Landesverband des Deutschen Anwaltsvereins beantwortet die Frage nach dem Fluch oder Segen eindeutig: „Der Titel Weltkulturerbe ist ein Segen“. Gesetze zum Schutz der Kulturgüter hin oder her, überragend sei die mediale Bedeutung eines solchen Titels. Die Kustodin der Sanssouci-Skulpturensammlung Saskia Hüneke verwies neben der Bedeutung für den Schutz der Kulturgüter auf die positive Wirkung für Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Iris Jana Magdowski, seit zwei Jahren Kulturbeigeordnete in Potsdam und Mitglied der deutschen Unesco-Kommission, bezeichnet es als die größte Gefahr, dass zunehmend mehr Kulturgüter mit dem Titel bedacht werden, was zu einer Inflation seines Wertes führen könnte. Die Marketing-Bedeutung „Weltkulturerbe“ sei unbestritten und keineswegs unanständig. „Amerikanische Touristen kommen nicht wegen Friedrich des Großen nach Potsdam, sondern weil wir auf der Weltkulturerbe-Liste stehen“, sagt Heinz Berg.
Das Kulturerbe-Thema war eines von vier, das der Runde Tisch in zwei Stunden abarbeitete. Inhaltlich ging es vor allem um das Verhältnis und die Eigenheiten von Sachsen und Brandenburg. Die „Bekämpfung der Nüchternheit“ hielt sich dabei in Grenzen.Günter Schenke
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: