Sport: Weltrekordler nun Potsdamer
Diskus-Bundestrainer Jürgen Schult bezog sein Domizil im Luftschiffhafen, der jetzt wieder zu einer Hochburg der Werfer gemacht werden soll
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Fast auf den Tag genau 20 Jahre nach seinem immer noch gültigen Weltrekord wurde Jürgen Schult Potsdamer. Der Diskuswurf-Bundestrainer, dessen am 6. Juni 1996 in Neubrandenburg erzielten 74,08 Meter noch immer die Diskus- Weltrekordliste anführt, richtete sich am Donnerstag im Luftschiffhafen an seinen Schreibtisch ein. Künftig will der einstige Olympiasieger, Welt- und Europameister sein Wissen auch nutzen, um gemeinsam mit Gleichgesinnten den Leichtathletik-Bundesstützpunkt Potsdam wieder zu einer Werfer-Hochburg zu machen. Er ist neben dem einstigen Geher-Olympiazweiten Ronald Weigel der zweite Leichtathletik-Bundestrainer, der seinen Dienstort im Luftschiffhafen hat.
Einst sorgten Asse wie Hartmut Losch, Gabriele Hinzmann, Evelin Jahl-Herberg, Gisela Beyer, Diana Gansky und Gabriele Reinsch (alle Diskus), Udo Beyer (Kugel) und Uwe Hohn (Speer) mit internationalen Medaillen und Rekordweiten für einen weltweit guten Ruf der Potsdamer Wurf- Schule, ehe diese ab Mitte der 90er Jahre mehr und mehr in der Bedeutungslosigkeit versank. Schult will sie nun gemeinsam mit Axel Richter und Tino Lang wieder wachküssen. Richter, Bundesstützpunkt- Chef, leitender Landestrainer und Vizepräsident Leistungssport des Leichtathletikverbandes Brandenburg, coacht im Luftschiffhafen junge Werferinnen. Lang, einst 400- und 800-m-Läufer im sächsischen Mittweida und seit1998 Lehrertrainer an der Potsdamer Eliteschule des Sports, hat mit Gordon Wolf den deutschlandweit derzeit besten Diskuswerfer der B-Jugend sowie weitere Talente unter seinen Fittichen. „Der Bundesstützpunkt soll entsprechend des Regionalkonzepts neben dem Bereich Lauf/Gehen auch wieder ein Wurf-Schwerpunkt werden, und diese Entwicklung wollen wir langfristig forcieren“, erklärte Richter gestern während der offiziellen Vorstellung Schults und schraubte das Ziel selbst gleich hoch: „2007 wollen wir bei den Junioren-WM der U18 im Wurf nicht einfach nur dabei, sondern auch erfolgreich sein.“
Gallionsfigur der jungen Potsdamer Werfer-Gilde ist Gordon Wolf. Der 16-jährige Falkenseer gilt derzeit als größtes deutsches Wurf-Talent und überbot kürzlich mit dem Diskus in Wiesbaden mit 61,38 m deutlich den bisherigen Landesrekord der B-Jugend, den Potsdams Sportidol Udo Beyer 1971 (!) mit 57,10 m geworfen hatte. „Tino hat bisher eine sehr gute Arbeit gemacht“, lobt Bundestrainer Schult, der die Entwicklung in Potsdam schon seit gut einem Jahr begleitet. „Und Gordon ist eine Perle. Er wird aber noch zehn Jahre brauchen, bis er mal ein ganz Großer sein kann.“ Zu den verheißungsvollen Potsdamer Talenten gehören außerdem Paul Hohn und Thomas Müller, Julia Rau, Carolin Sommerfeld und Sarah Mayer, die 2005 die deutsche Speerwurf-Bestenliste der Altersklasse 14 anführte.
Jürgen Schult, der nach einigen Jahren in Berlin dort zuletzt wegen mancher Enttäuschungen keine Perspektive mehr sah, will in Potsdam nichts im Alleingang bewirken. „Wir werden alles genau abstimmen und nur mit einer Stimme sprechen“, erklärte der 46-Jährige gestern, und Axel Richter erläuterte: „Nun können wir eine kontinuierliche Förderung der Werfer von den Anfängen in der Sportschule bis in den Hochleistungsbereich hinein anbieten. Das wird einen weiteren Leistungsschub bringen, der dann auch eine Sogwirkung auf andere Sportler haben könnte.“ Potsdams Wurf-Verantwortliche wollen nun verstärkt auch im Land große, kräftige Mädchen und Jungen für Kugel, Speer und Diskus begeistern, „was in den letzten Jahren vernachlässigt wurde“, so Tino Lang.
Jürgen Schult, der mit Sara Briesenick – Tochter der einstigen Ausnahme-Kugelstoßer Hartmut Briesenick und Ilona Slupianek-Briesenick – und Julia Wiechmann noch zwei Talente in Berlin trainiert, will im Luftschiffhafen erst ab Herbst selbst Athleten unter seine Fittiche nehmen. „Wir werden nicht von heute auf morgen alles durcheinander werfen“, sagt Axel Richter dazu. „Im Vordergrund steht der Athlet, und für dessen Förderung ist eine einheitliche Linie nötig.“ Und der Bundestrainer erklärt: „Zaubern kann niemand. Aber wir wollen hier ein System entwickeln und etablieren, mit dem wir anderen weit voraus sein können.“ Zunächst aber hat er ganz profane Sorgen: „Ich suche derzeit eine neue Wohnung irgendwo zwischen Ku’damm und Luftschiffhafen.“
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