
© Manfred Thomas
Von Hella Dittfeld: Wenig Böhmisches auf dem Weberplatz
Babelsberg muss aufpassen, dass der Kommerz nicht das Besondere überdeckt
Stand:
Lichterglanz, Feuerspektakel und eine Kristallfee ziehen in der Adventszeit die Menschen magisch an. Selbst beim Nieselregen am Samstag war der Böhmische Weihnachtsmarkt proppevoll und die geschätzten 20 000 Besucher sind am Samstag und Sonntag vielleicht sogar noch übertroffen worden. Auch bei den Ständen gab es drangvolle Enge. Der Sprecher der Aktionsgemeinschaft Babelsberg Burkhard Baese bezifferte deren Anzahl auf über 100. Doch Fülle ist nicht gleich Qualität. Vollgestopft mit deutschen Ständen droht der Böhmische Weihnachtsmarkt seine Besonderheit zu verlieren. Das Böhmische wird immer geringer und reduziert sich inzwischen auf die Musik durch die Spielleute „Remdich“, auf böhmisches Bier und das Angebot von Oblaten und Maultaschen.
Praktiziertes Handwerk wird auch kaum noch geboten, außer einem Schmied, der nur selten den Hammer schwang, und einem eifrigen Bäcker war davon wenig zu entdecken. Natürlich freuen sich die Kinder, wenn sie von der Kristallfee begrüßt werden und mit der Postkutsche fahren können. Auch der Weihnachtsmann in seiner Werkstatt war sofort umlagert, wenn er mit den Kindern zu plaudern anfing und deren Wünsche notierte. Das Fahrrad für Hanna (4) und der Computer für Saphira (5) sind festgeschrieben. Dass er das Schild „Heute Ruhetag“ aber nicht umgedreht hatte, wirkte abweisend und unpassend ausgerechnet in der Weihnachtsmann-Hochsaison.
Es war in diesem Jahr der 10. Böhmische Weihnachtsmarkt und da wollte man wohl recht viel bieten. Das aber führte eher zu schiebendem Gedränge statt zu deutsch-böhmischer Gemütlichkeit. Das Interesse der Händler am Babelsberger Weihnachtsmarkt werde immer größer. Einige hätten sich nicht zurückgemeldet, seien dann aber trotzdem gekommen, kommentierte Baese die Überfülle. Das aber kann und darf bei der Gestaltung dieses Weihnachtsmarktes, der ein besonderes Flair bieten will, nicht ausschlaggebend sein. Auch bei der überaus beliebten Aufführung der Hirtenmesse, die in der Friedrichskirche wieder sehr gut besucht war, sollte weniger mehr sein. Die tschechische Hirtenmesse ist etwas ganz besonderes. Da muss es zuvor nicht noch Händel geben, begleitet auf dem Harmonium statt einer Orgel, was den Klang nicht gerade aufbessert. Für den 11. Böhmischen Weihnachtsmarkt empfiehlt es sich, das Konzept gründlich neu zu überdenken und das Besondere stärker zu betonen. Es war auch in diesem Jahr durchaus vorhanden mit schönem Kunsthandwerk von Filzarbeiten über Keramik bis Holzspielzeug. Es sollte aber mehr Augenmerk auf Handwerker in Aktion und auf Interaktionen auch außerhalb der Bühne gelegt werden. Warum das Marionettentheater ausgerechnet um 12.30 Uhr auftrat, ist ebenfalls unverständlich. Ist das nicht eigentlich die Zeit der Mittagsruhe?
Erfolgreich war der Auftakt zum „Klingenden Advent“. Bei sieben Konzerten und durch die Stiftung Großes Waisenhaus wird Geld für Kitakinder gesammelt, die von Hause aus wenig mit Musik in Berührung kommen, die aber begabt und interessiert sind und die deshalb in den Kitas eine musikpädagogische Betreuung bekommen. Bei der Hirtenmesse kamen 470 Euro zusammen.
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