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Landeshauptstadt: Wenig Einkaufsmöglichkeiten, aber viel Natur und nette Menschen

Störche, Wiesenwege und Schlafburgen. Fahrland ist in den letzten 20 Jahren stark gewachsen. Die Anwohner wollen Supermärkte

Stand:

Der Storch bringt die Kinder. So sagt man. Doch dieses Jahr hatte Adebar hierzulande sogar mit dem eigenen Nachwuchs große Sorgen. Auch den Fahrländer Störchen in der Priesterstraße ging es anscheinend nicht besonders gut. Nur ein einziges Junges ist auf der hölzernen Tafel des Naturschutzbundes als Nachwuchs vermerkt. So wenig Kindersegen weist die Holztafel, die in der Priesterstraße an einer Mauer hängt, zuletzt für 2005 aus. Der Horst auf dem Schornstein, fast an der Ecke zur Ketziner Straße, ist mittlerweile wieder leer. Ausgeflogen. Ab in den Süden!

Zurück bleiben die Fahrländer, die hier in diesem alten märkischen Dorf zu Hause sind, beständig ihre Gärten pflegen, einem Gewerbe nachgehen oder einfach nur abends zum Schlafen herkommen, um am nächsten Morgen wieder zur Arbeit nach Berlin oder Potsdam zu fahren. Diesen Verkehr, besonders den allmorgendlichen Schwall von Autos aus den neuen Wohngebieten am Rande des Dorfes, kennt Anwohner Michael Stoof nur allzu gut. Der 49-Jährige, der gerade seinen Vorgarten hackt, zeigt entnervt auf die Einmündung der von-Stechow-Straße in die Ketziner Straße. Eine Melange aus durchlöchertem Asphalt und historischem Kopfsteinpflaster ist dort zu sehen. „Wenn der Bus kommt – das überträgt sich bis ins Schlafzimmer“, habe sein Bruder gesagt, der gleich nebenan wohnt. Auch er selbst, so Stoof, empfinde die allmorgendliche Verkehrslage als echte Katastrophe. „Wir haben auch schon Eingaben gemacht – aber es passiert ja nichts.“ Sogar die Kolonnen der Russen, die zu DDR-Zeiten durch den Ort rumpelten, seien nicht so nervig gewesen wie der heutige Verkehr.

Und dann beklagt Stoof etwas, das man in Fahrland überall zu hören bekommt: Es gebe zu wenige Einkaufsmöglichkeiten. Ein einziger Markt in der Von-Stechow-Straße, das sei zu wenig. Stoofs Fazit über seinen Ort, in dem er seit Jahrzehnten wohnt: „Wir sind irgendwie der schlechtere Teil von Potsdam.“

Vielleicht. Doch wenn schon der schlechtere Teil, dann aber jedenfalls der zentralere. Denn hier in Fahrland, im Wasser des Fahrländer Sees, befindet sich die zentralste Stelle Brandenburgs. Hier, so haben es die Landvermesser ausgerechnet, hat das Land des Roten Adlers seinen geografischen Mittelpunkt. Eine große gestreifte Stange im Wasser, ein paar Meter vom Ufer entfernt, markiert diese Stelle. Wer vom Fahrländer Ortskern aus auf die Suche nach dem Mittelpunkt des Landes geht, muss sich zunächst durch Wiesenwege schlagen. Nicht nur gutes Schuhwerk, auch eine Spürnase dürfte dabei von Nutzen sein. Denn nicht an jeder Wegekreuzung findet sich ein Hinweisschild. Doch wer sich bis auf eine Anhöhe am See durchgeschlagen hat, wird belohnt: Mit einem freien Blick auf den See und die Markierungsstange im Wasser. Oben auf der Anhöhe erklärt ein Schild die Szenerie.

In der entgegengesetzten Richtung ist der Ort mit seiner Kirche zu sehen. Dort, unweit des Gotteshauses, wohnt das Pfarrerehepaar Greulich. Vor dem Pfarrhaus blühen gerade Herbststauden in kräftigem Gelb. Ja, es sei schon ein Privileg, in diesem altehrwürdigen Gebäude mit dem angrenzenden riesigen Garten zu wohnen, sagt Annette Winkelmann-Greulich. Die Frau des Ortspfarrers arbeitet unter anderem als Katechetin im Ort. Vor drei Jahren bekam ihr Mann hier die Pfarrstelle. Doch als sie das erste Mal hierher fuhren, da sei sie beim Anblick der Plattenbauten am Rande des Krampnitzer Kasernengeländes durchaus entsetzt gewesen. Heute nehme sie diese Betonhäuser zwar immer noch wahr, aber Fahrland sei freilich viel mehr als nur die Plattenbauten in Krampnitz. Im Ort gebe es ein reges Vereinsleben. Man sei gut vernetzt untereinander. „Das sind wirklich sehr nette Menschen hier“, sagt Winkelmann-Greulich.

Wenig vernetzt wirken hingegen die seit den 1990er-Jahren entstandenen Siedlungen „Eisbergstücke“ und „Königsweg“ einerseits und der Ortskern andererseits. Eine große Wiese liegt zwischen der Neu- und der Altbebauung. Gar nicht dörflich geht es in diesen modernen Wohngebieten zu. Sogar Fünfgeschosser hat man hier vor 20 Jahren hingesetzt. Als Schlafburg bezeichnet der Fahrländer Sven Biederstädt die Neubebauung. Eine ältere Frau, die in der Straße Am Upstall gerade zum Bus geht, lobt hingegen den Wohnpark „Königsweg“. „Sehr ordentlich, sehr gepflegt“, sei es hier. „Ist am Arsch der Welt, aber schön ruhig“, meint derweil ein Mittzwanziger, der mit einer Zigarette im Mund gerade in der Straße Am Upstall entlangläuft.

Die ältere Frau aber, die auf ihren Bus wartet, hat dann doch noch etwas auf dem Herzen, nämlich „dass hier endlich mal ein zweites Kaufcenter hergesetzt wird“, wobei sie das Wort „endlich“ stark betont. Zwar kein zweites Kaufcenter, aber so etwas wie ein kleines dörfliches Einkaufszentrum entwickelt sich hingegen seit einiger Zeit in der Ketziner Straße, mitten im alten Dorfkern. Hier haben sich in einem alten grauen Ziegelsteinhaus ein paar Geschäfte angesiedelt, darunter eine Reparaturwerkstatt für Schuhe, in der Sven Biederstädt arbeitet. Die Geschäfte könnten besser laufen, aber man gebe nicht auf. Ein paar mehr Kunden aus den neuen Wohngebieten wünscht sich Biederstädt. Kundenzuspruch hin oder her: Schräg gegenüber in einer alten Fleischerei will Dorit Bothe mit ihrem Mann im Oktober ein Fischgeschäft eröffnen. „Mal gucken, wie die Fahrländer das dann so annehmen“, sagt die junge Frau.

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