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Hightech auf dem Acker. Das Potsdamer ATB entwickelt Algorithmen, die Messdaten von den Feldern daraufhin untersuchen, ob die kontrollierten Pflanzen mit dem Schädling befallen sind. Dabei hilft unter anderem auch ein Vertikalsensor.

© dpa

Leibniz Institut für Agrartechnik Potsdam: Weniger Chemie aufs Feld

Das Leibniz Institut für Agrartechnik in Potsdam (ATB) hat ein Forschungsprojekt gestartet, das sich mit Krankheiten von Getreide befasst. Neue Techniken sollen vor allem dem Weizen helfen.

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Potsdam - Weniger Chemie auf den Feldern soll es geben. Das ist das Ziel von „Fungi Detect“. Hinter der Kurzbezeichnung verbirgt sich ein Forschungsprojekt, das jetzt am Leibniz Institut für Agrartechnik in Potsdam (ATB) gestartet wurde: „Sensorgestützte Online-Detektion von Krankheiten im Getreide“. Es geht allerdings nicht um irgendeine Krankheit, sondern um den Gelbrost. Der befällt den Weizen, entzieht ihm Kraft und Nährstoffe und lässt die Felder verdorren. Getreide wird weltweit immer wichtiger und steht in Deutschland auf ungefähr der Hälfte aller Felder. Daher stellt der Gelbrost als häufiger Schädlingspilz ein erhebliches Problem dar.

„Tatsache ist, dass Gelbrost zu hohen Ertragsverlusten im Getreide führt. Aufgrund des Klimawandels kommt es in Deutschland zu einer starken Zunahme des Gelbrostbefalls. Zusätzlich verändern sich die Pilzerreger genetisch sehr schnell“, sagt die Agrartechnikerin Cornelia Weltzien vom ATB. „Mit diesem Projekt werden wir einen Beitrag leisten, die auszubringenden Fungizid-Mengen durch die bedarfsgerechte und zielgerichtete Applikation deutlich zu reduzieren“, so Weltzien.

Weltbevölkerung wächst weiter - und somit auch der Weizenanbau

Ziemlich sicher ist sich die Forscherin, dass der Anbau von Weizen weltweit zunehmen wird, weil die Weltbevölkerung weiter wächst. Auch sei nicht zu erwarten, dass sich die Art der großflächigen Bewirtschaftung von Flächen durch Großunternehmen mit Monokulturen ändern wird. Daher müssten Mittel und Wege gefunden werden, weniger Chemie und Pflanzenschutzmittel auf die Felder auszubringen. Deshalb wurde der „Nationale Aktionsplan für die nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) ins Leben gerufen. Dessen Ziel ist es, chemische Pflanzenschutzmittel auf den Feldern zu reduzieren. Um die Agrarwirtschaft hierbei zu unterstützen, hat das Institut zusammen mit zwei Partnern das Forschungsprojekt initiiert, das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit 1,1 Millionen Euro gefördert wird.

Koordinator des Projektes ist der Agrarwissenschaftler Michael Schirrmann. Er wacht darüber, wie beim ATB die Fäden des Projektes zusammen laufen. Das Institut führt die entsprechenden Feldversuche durch und wertet anschließend die Daten aus. Das ATB entwickelt die Algorithmen, auf deren Grundlage das gewonnene Datenmaterial Aufschluss darüber geben soll, ob die untersuchten Pflanzen mit dem Schädling befallen sind. Hierzu hat das Messtechnikunternehmen Toss einen Vertikalsensor weiterentwickelt, der schon in einem anderen Projekt Verwendung fand. Angebracht ist er an einem Fahrzeug, das ein wenig wie ein Traktor aussieht, tatsächlich aber etwas höher ist und an dessen Seiten lange Stäbe baumeln. „Da ist der Geräteträger“, erläutert Weltzien. An den Stäben in der Stange befinden sich die lichtempfindlichen Detektoren, mit deren Hilfe der Gelbrost lokalisiert werden soll. Die unteren Teile und Unterseiten der Blätter und Halme werden mit einem Infrarotspektrum untersucht.

Daten vom Feld und aus der Luft

Die Pflanzen werden zuerst an den unteren Blattetagen befallen, dann arbeitet sich der Pilz an der Pflanze hoch und breitet sich in den gesamten Bestand hinein aus. „Wenn man die gelbe Verfärbung mit einer Kamera von oben ausmachen kann, ist es eigentlich schon zu spät“, erklärt die Forscherin. Die Wissenschaftler begleiten die Fahrt durch das Feld mit dem Flug einer Drohne. Aus der Zusammenschau der so erhobenen Daten vom Feld und aus der Luft soll sich ein möglichst genaues Bild des Befalls mit Gelbrost ergeben. „Wir entwickeln aber keine Plug- and-play-Lösung“, schränkt Weltzien sogleich ein. „Wir erarbeiten hier die Vorgehensweise zur Verknüpfung und Analyse verschiedener Datensätze aus unterschiedlichen Sensoren, um daraus einen zuverlässigen Indikator für die Wahrscheinlichkeit des Gelbrostauftretens abzuleiten.“ Die verschiedenen Sensoren und Kameras erstellten ein Bild und erhöben die entsprechenden Daten, die dann aber ausgewertet werden müssten.

„Das ist auch ein Big Data Projekt“, so Weltzien. Die Entscheidung, was genau auf den Bildern zu sehen sei und was mit den so erhobenen Daten und Informationen anzufangen sei, und mit welchen Mitteln der Gelbrost optimal zu bekämpfen ist, müsse allerdings immer noch der Landwirt vor Ort treffen. Eine Automatik in Gang zu setzen, sei nicht das Ziel der Entwicklung. Vielmehr gehe es darum, Wahrscheinlichkeiten zu erkennen, aus denen sich auf den Gelbrost schließen lasse.

Einsatz von Pflanzenschutzmittel deutlich reduzieren

Moderne Landwirtschaft und die Bewirtschaftung von immer größeren Flächen könnten heute nicht mehr bewältigt werden, indem der Bauer einfach nachschaue, wie es aus auf den Feldern denn aussehe. Denn einerseits arbeiteten ohnehin immer weniger Menschen in der Landwirtschaft, andererseits seien die zu bewirtschaftenden Flächen auch so groß, dass ohne den breitflächigen Einsatz von moderner Agrartechnik eine Bewirtschaftung kaum möglich sei. Die EU wisse jedoch um die Problematik von immer mehr Chemie auf den Feldern. Darum unterstütze sie Projekte, die durch einen möglichst gezielten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deren Einsatz verringern kann. Weltzien rechnet damit, dass 30 bis 50 Prozent der gegen den Pilz eingesetzten Gifte eingespart werden können – wenn es denn gelingt, das Suchgerät.

Richard Rabensaat

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