
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Wenn das „Holzkrokodil“ zuschnappt
Christopher Witt ist Deutschlandmeister im Modellboot-Fahren
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Christopher Witt ist sicher nicht der Einzige, der in seiner Freizeit Modellboote baut und sie zuhause ins Regal stellt. So richtig glücklich ist der 26-jährige Potsdamer jedoch erst, wenn er die bis zu 1,40 Meter langen Rennboote mit 100 Stundenkilometern in halsbrecherischen Kurven über die Havel jagen kann. Und darin ist Witt deutschlandweit der Schnellste: Im April wurde er deutscher Meister für ferngesteuerte „Offshore-Modellboote“.
„Mein erstes Boot war eine ‚Cracker-Box’ - ein ganz normales Holzboot mit Spanten und einem Elektromotor. Das konnte etwa 30 Stundenkilometer fahren“, erzählt Witt. Mit 13 Jahren hatte er den motorisierten Modellbootbau für sich entdeckt, Auslöser war eine Modellbau-Ausstellung im Stern-Center. „Ich war gerade in meiner Hobbyfindungsphase und außerdem bin ich ja Wassermann“, erklärt Witt seine Faszination für den Miniatur-Rennsport. Im Laufe der Jahre kamen immer größere und schnellere Boote zu seiner Flotte dazu: „Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, aber es müssen so zwischen zehn und 15 sein. Das schnellste, das ich jemals gebaut habe, war ein Elektro-Katamaran mit 130 Stundenkilometern“, sagt Witt, der in Brandenburg/Havel Automatisierungstechnik studiert. 2004 nahm er das erste Mal bei einer deutschen Meisterschaft teil, 2010 schaffte er es bei der WM in Ungarn immerhin auf Platz 15. Bei den Meisterschaften müssen bis zu zwölf Boote gleichzeitig mehrere Runden einer Ovalstrecke fahren, wie bei einem Autorennen. Eine weitere Gemeinsamkeit: Es geht öfter etwas zu Bruch.
Jeden Dienstag und Donnerstag kommt Witt in seine Potsdamer Werkstatt nahe der Havel und schraubt an seinen Booten – so wie jetzt: „Ich muss hier eine Naht neu kleben - und dann gibt es halt noch die üblichen Kampfspuren“, sagt Witt und weist auf seine silberlackierte „Sundancer Evo“, mit dem er auch die Meisterschaft gewonnen hat. Das fünf PS starke Modell ist einem realen Rennboot aus den USA nachempfunden. Witt ist ein echter Tüftler - in die Tankmechanik seiner Boote sind sogar ausgediente Natriumchlorid-Beutel verbaut, die normalerweise in Krankenhäusern Verwendung finden. Zum Tanken benutzt Witt ein Zwei-Takt-Gemisch mit Rizinus-Öl – Öko-Sprit also.
Jedes Wochenende lässt Witt zusammen mit Gleichgesinnten seine Boote auf der Havel fahren. Dabei kommt es immer wieder zu Kollisionen, etwa mit den gefürchteten „Holzkrokodilen“ – wie das im Wasser schwimmende Treibgut in Modellbauerkreisen genannt wird. „Untergegangen“ sei ihm noch keines seiner Boote, berichtet Witt. Das wäre auch ziemlich schade, schließlich kostet der Bau eines kompletten Bootes samt Motor rund 1200 Euro und nimmt gut zwei Monate Bauzeit in Anspruch. „Es gibt Leute, die arbeiten drei Jahre an solchen Modellen“, meint Witt.
Um sich sein Hobby zu finanzieren, baut und vertreibt er seit Anfang dieses Jahres auch Elektroboote im Internet. Vier Tage die Woche beschäftigt sich Witt mit seinen Booten – und schätzt sich glücklich, dass seine Freundin sich für sein Hobby begeistern kann: „Sie hat ihr eigenes kleines Elektro-Boot bekommen.“
Wer sich als Modellbootfahrer ab und zu wünscht, auch mal in einem richtigen Boot zu sitzen, kann zumindest einen kleinen Stellvertreter hinter das Steuer seiner Modelle setzen: Auch in Witts Werkstatt sitzen zwei kleine Puppen mit Schwimmwesten auf der Fensterbank, die an Action-Figuren für Kinder erinnern: „Das ist richtiger Modellboot-Bedarf. Ein Bekannter von mir hat Ken und Barbie in seinem Boot sitzen“, meint Witt. Erik Wenk
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