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Eiserguss. Wenn das Eis taut, ergießen sich Massen davon in den Ozean.

© dpa

Homepage: Wenn der Korken knallt

Klimaforscher haben in der Antarktis eine Schwachstelle im Eis entdeckt, die weltweit die Küsten bedroht

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In der Ost-Antarktis könnte eine fatale Eisschmelze bevorstehen. Davor warnen Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einem Aufsatz in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Nature Climate Change“. Das Abschmelzen eines Eisbeckens im Wilkes-Land könnte einen Meeresspiegelanstieg auslösen, der nach Einschätzung der Wissenschaftler das Gesicht unseres Planeten verändern würde. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre dann für Küstenstädte wie New York, Tokio, Mumbai und Dublin ein erhebliches Risiko der Überflutung gegeben, so die PIK-Forscher.

Die Wissenschaftler haben berechnet, dass ein Abschmelzen des relativ kleinen „Eiskorkens“, der ein Eisfeld an der ostantarktischen Küste derzeit zum Meer hin begrenzt, einen unaufhaltsamen Prozess auslösen würde. Große Eismassen würden dann für mehrere Jahrtausende in den Ozean fließen und damit den Meeresspiegel ansteigen lassen. Das Eis liegt derzeit in einem riesigen Tal, das zum Landesinneren hin abfällt. Sollte die Eisbarriere, die das Becken zum Meer hin abdichtet, wegtauen, könnte sich eine riesige Eismasse im Wilkes-Land südlich von Australien in den Ozean ergießen – mit fatalen Folgen. Innerhalb von mehreren Tausend Jahren würde sich dann der Meeresspiegel demnach um drei bis vier Meter erhöhen.

„Bislang galt nur die Westantarktis als instabil, aber jetzt wissen wir, dass ihr zehnmal größeres Gegenstück im Osten möglicherweise auch in Gefahr ist“, so der an der Studie beteiligte PIK-Forscher Anders Levermann. Das Wilkes-Becken der Ostantarktis vergleicht Leitautor Matthias Mengel mit einer gekippten Flasche: „Wenn der Korken gezogen wird, entleert sie sich.“ Ein Abschmelzen von Eis an der Küste könnte den relativ kleinen Eis-Korken auflösen. Das Becken ist das größte marine Landeis-Gebiet in der Region.

Die Simulationen, auf die sich die Forscher berufen, berechnen einen Anstieg des Meeresspiegels von drei bis vier Metern. „Der vollständige Meeresspiegelanstieg wäre letztlich bis zu 80-mal größer als der durch das anfängliche Abschmelzen des Eiskorkens“, sagt der Ko-Autor Anders Levermann. In den Simulationen dauere das vollständige Ausströmen aller Eismassen aus der betroffenen Region in der Ostantarktis fünftausend bis zehntausend Jahre. Das Heimtückische daran ist, dass der Prozess, einmal in Gang gekommen, sich nicht mehr stoppen lässt: „Wenn diese Entwicklung erst einmal begonnen hat, wird sich das Auslaufen unaufhaltsam fortsetzen, bis das gesamte Becken leergelaufen ist“, schreiben die Klimaforscher in ihrem Aufsatz. Dies gelte selbst für den Fall, dass die Klimaerwärmung aufhören sollte. „Das ist das grundlegende Problem hier“, erklärt Matthias Mengel. „Indem wir mehr und mehr Treibhausgase ausstoßen, lösen wir möglicherweise heute Reaktionen aus, die wir in Zukunft dann nicht mehr stoppen können.“ Die Potsdamer Klimaforscher hatten bereits in der Vergangenheit mehrere sogenannter Kipp-Elemente ausgemacht, die durch die Erderwärmung dauerhaft in einen anderen Zustand versetzt werden könnten.

Die aktuellen Ergebnisse beruhen auf Computersimulationen des antarktischen Eisflusses mit neuen Daten. Dazu wurden auch Daten zur Topografie des betroffenen Gebiets in die Berechnungen mit einbezogen. Jan Kixmüller

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