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Einkaufstempel mit Besuchergarantie. Rund acht Millionen Gäste zählt das Potsdamer Stern-Center jährlich. In diesem Herbst feiert es seinen 15. Geburtstag.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Wenn der Schlüsselmacher BHs reparieren soll

Konstant 18 bis 22 Grad, 600 Einkaufswagen, 2100 Parkplätze und zahlreiche Geschichten von Kunden und Verkäufern – das Potsdamer Stern-Center wird 15

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„Eine Woche ohne Stern-Center? Das geht nicht“, sagt Wolfgang Berndt und greift sich aus seinem Einkaufswagen einen Pappbecher heißen Kaffee. „Wir sitzen jeden Freitag hier, trinken ein Käffchen und warten auf unsere Frauen.“ Schlürf. Er hat Zeit. „Stimmt´s?“, fragt er seinen Nachbarn. „Verrat nicht zu viel“, knurrt der. Die Männer mit schütterem Haar und rundem Bauch lassen es sich gut gehen. Sie sitzen im Center unter einem Baum auf einer Bank, von ihren Frauen keine Spur, Gespräche über Fußball sind an der Tagesordnung – ein Männerparadies? „Wir finden´s schön“, sagt Berndt, lacht und klatscht seinem wortkargen Nachbarn auf den Oberschenkel. „Nich?“ Jeden Freitag fährt das befreundete Pärchen ins Sterncenter, schon seit Jahren.

Ab heute feiert Potsdams erste Einkaufsmall 15-jähriges Jubiläum. Im Herbst 1996 wurde der knapp 35 000 Quadratmeter große Einkaufstempel eröffnet. Er entstand auf einem Acker am Rande der Nutheschnellstraße. Die ECE Projektmanagement GmbH – ECE bedeutet Einkaufs-Center Entwicklungsgesellschaft – errichtete und betreibt das sternförmige Gebäude in Nachbarschaft zu den Neubaugebieten Drewitz und Am Stern. Weltweit beschäftigt die vom Versandhauspionier Werner Otto gegründete ECE 3000 Mitarbeiter und setzt jährlich 15,3 Milliarden Euro um. Im Potsdamer Stern-Center gibt es 85 Ladenlokale. Im Schnitt finden täglich etwa 25 000 Besucher hierher, an Spitzentagen bis zu 40 000. Hochgerechnet sind das jährlich etwa acht Millionen Besucher. Magneten wie Peek & Cloppenburg oder Hennes & Mauritz, 2100 kostenlose Parkplätze, wechselnde Ausstellungen und das jährliche Stabhochspringen locken sie an.

Einige der Besucher bekommt auch Bernhard Depta zu Gesicht. Der grauhaarige Schlüssel- und Schuhmacher in der roten Kittelschürze arbeitet seit neun Jahren im Center bei Mister Minit. Einen Schlüssel nachmachen zu lassen, dauert bei ihm 44 Sekunden: Mit einem schnellen Handgriff spannt er das Original in eine rote Maschine ein, eine dünnes Metall tastet den Schlüssel ab, ein kurzer Blick über die Lesebrille dann gehts ans Fräsen. Fertig. „Macht 7,99 Euro“, sagt Depta als er die Schlüssel zurück über die Theke reicht, die Hände schwarz von der Arbeit. Im mit 19 Quadratmetern kleinsten Laden des Centers repariert Depta Schuhe oder Taschen und macht Schlüssel nach, etwa 40 jeden Tag. „Wir haben hier schon alles erlebt.“ Frauen hätten BH´s und Tangas vorbeigebracht. „Im Ernst, das ist kein Quatsch. Die legen die auf die Theke, wir sollen die reparieren – nur, wenn sie die Anprobe hier machen, sage ich dann“, sagt Depta und lacht laut los.

Etwa 57 Prozent der Kunden des Stern-Centers kommen aus dem Potsdamer Umland, vor allem aus Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und dem Havelland. Besucher aus Berlin sind seltener anzutreffen. Das Einzugsgebiet umfasst nach Angaben des Center-Managements etwa 850 000 Menschen.

Ganz anders ist das bei Elke und Friedhold Frotscher. Die Potsdamer Rentner gehören zu den Stammkunden des Einkaufstempels, sagen sie. „Staubsauger, Waschmaschine, Kühlschrank und einen beige-braunen Teppich“, zählt Elke Frotscher auf – Dinge, die im Laufe der Zeit vom Stern-Center in ihre nahegelegene Wohnung am Stern gewandert sind. „Den Teppich haben wir selbst rüber getragen“, sagt die Rentnerin. „Seit das Center eröffnet ist, gehen wir hier einkaufen. Husch, husch, über die Brücke, sagt mein Mann immer.“ Beiden können sich noch an die Zeit erinnern, wo statt des Einkaufszentrums ein Acker zum Spazieren lockte. Gemeinsam mit ihren Kindern seien sie oft über das Getreidefeld gelaufen. Inzwischen dreht das Rentnerpärchen im Stern-Center seine Runden – jetzt mit den Enkelkindern. „Wenn die kommen, dann ist einmal Eisessen Pflicht“, sagt Elke Frotscher.

Erdbeere und Schoko, erklärt Elena Cepeda, das seien die beliebtesten Eissorten im Eiscafé Fantasia del Gelato. Seit Eröffnung des Centers ist das Café im südlichen Flügel des Einkaufszentrums zu finden. Cepeda, eine Philippinin mit italienischem Pass und Akzent, führt seit zwei Jahren die Geschäfte. „Unser Eis ist immer frisch“, sagt Cepeda und öffnet die Tür zum „Eislabor“, das sich auf der anderen Seite der nahen Gerlachstraße befindet. Es ist warm in dem kleinen weiß gefliesten Raum, der mit wuchtigen Maschinen vollgestellt ist. 350 Liter Milch werden hier jeden Tag mit einem Lkw angeliefert und vom italienischen Chef-Eismacher Perna Carlo verarbeitet. „After Eight“ ist gerade fertig, eine ganze Aluschale löffelt Carlo voll, zum Schluss kommt Schokolade drüber. „Lecker“, sagt Chefin Cepeda und gönnt sich einen Löffel der eiskalten Creme.

Etwa 900 Liter Speisereste und 330 Tonnen Papier, Pappe und Karton fallen jährlich im Stern-Center an Müll an. Hinzukommen täglich etwa 30 Toilettenpapierrollen, die im Abwassersystem verschwinden. Jeden Morgen um fünf Uhr rückt die Putzkolonne an: Zehn Reinigungskräfte sind dann vier Stunden damit beschäftigt, zu wischen, zu saugen, Fenster zu reinigen oder Mülleimer zu leeren. Tagsüber helfen dann zwei weitere Kräfte aus, wenn irgendwo ein Kaffee verschüttet wird oder der Mülleimer überquillt.

Manuela Grunow kennt das Prozedere am Morgen. Seit 15 Jahren ist die Verkäuferin der Potsdamer Modekette Karin Genrich im Stern-Center tätig. Während die Putzkolonne durch das Center wischt, muss auch Grunow im Laden wirbeln: Staub saugen, wischen und die neuen Blusen und Pullover in die Regale räumen. Grunow kennt alle ihre Stammkunden mit Namen, sagt sie. „Im Nachhinein denkt man sich: Mein Gott, so lange steht das Sterncenter schon?“, sagt Grunow. Sie verbringt ihre Arbeitstage hier, erledigt auch ihre eigenen Einkäufe im Center. Die Kundschaft habe sich mit wechselndem Ladenangebot verändert, sagt sie. Heute streiften mehr junge Leute durch die Gänge.

50 der heute 85 Geschäfte des Stern-Centers gibt es seit der Eröffnung. Jüngstes Geschäft ist der Schmuckladen Accessorize. Die meiste Verkaufsfläche bietet der Real-Markt mit knapp 6200 Quadratmetern. Interessant auch: Das Center wird ständig auf 18 bis 22 Grad erwärmt oder abgekühlt – die „Wohlfühltemperatur“ für Kunden. Außerdem stehen über 600 Einkaufswagen zum Schieben bereit

Bärbel Berndt kann sich nicht beklagen. Mit ihrer Freundin Margot quasselnd, kehrt sie gut gelaunt zu ihrem wartenden Mann zurück. Wolfgangs Berndts Kaffee ist ausgeschlürft. „Wir waren bei C+A, Douglas und Tchibo, jetzt sind wir auf der Zielgeraden“, sagt Bärbel Berndt und streckt ihrem Mann die Hand entgegen. Jetzt muss er mit, sagt sie. „Wir gehen zu Real, danach gehts zum Italiener.“ Einmal Latte Macchiato und ein Erdbeer-Eis, bestellt sie dann, wie jeden Freitag nach der Shoppingtour durchs Stern-Center.

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