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Landeshauptstadt: „Wenn die beiden Großen sich prügeln, muss man die Kleinen stärken“

In Potsdam machten am Wahltag zunächst nur die PDS-Anhänger eifrig ihre Kreuzchen

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In Potsdam machten am Wahltag zunächst nur die PDS-Anhänger eifrig ihre Kreuzchen Von Michael Mara und Thorsten Metzner Nein, es sieht nicht gut aus für die SPD. Doch Matthias Platzeck läßt sich die Sorgen nicht anmerken, als er gegen Mittag ins Babelsberger Wahllokal eilt. Journalisten und Kamerataems erwarten ihn bereits – fast so, als ob es schon um die Landtagswahl ginge. Doch die findet erst in elf Monaten statt. Allerdings weiß auch Platzeck, dass es um die Ausgangspositionen für 2004 geht. „Fürchten Sie um Ihre politische Zukunft?“, fragt ein TV-Reporter. Platzeck lächelt: „Nun lasst die Kirche mal im Dorf.“ Dann baut er vor, erzählt, dass es bei seinen rund 60 Wahlkampfauftritten im Land fast nie um kommunale Probleme gegangen sei. 80 bis 90 Prozent der Fragen hätten sich auf die rot-grünen Reformen bezogen. Trotzdem hoffe er, dass die SPD stärkste politische Kraft im Lande bleibe. Aber wie soll das gehen, wenn viele bisherige SPD-Wähler zu Hause bleiben? Selbst in Platzecks Kiez – jeder kennt ihn, er wohnt seit vielen Jahren hier – erscheinen die Wähler nur spärlich. Obwohl Babelsberg als SPD-Hochburg gilt. Oder gerade deshalb? „Um 12 waren noch nicht einmal zehn Prozent hier“, heißt es im Babelsberger Wahllokal. Ganz anders der Eindruck im Neubaugebiet am Stern: Im Wahllokal in der Coubertin-Gesamtschule herrscht ständig Betrieb. Die meisten hier wählen wie Kfz-Schlosser Jörg Kuschel PDS. „Wenn die beiden Großen sich prügeln, muss man die Kleinen stärken“, sagt er. Ein Rentner-Ehepaar meint: „SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs braucht Druck durch eine starke PDS im Stadtparlament.“ Schafft es die PDS dank ihrer Hochburgen, den zu DDR-Zeiten errichteten Neubaugebieten, stärkste Partei im Rathaus zu werden? Bei der Stichwahl für den Oberbürgermeisterposten vor einem Jahr fehlten dem PDS-Gegenkandidaten Hans-Jürgen Scharfenberg ganze 124 Stimmen zum Sieg. Allerdings war die CDU bei der Wahl Jakobs gegen Scharfenberg aus dem Rennen. Es ist früher Nachmittag, die Rentnerin Gisela Vogt kommt aus dem Wahllokal im Einstein-Gymnasium in der Potsdamer Innenstadt. „Ich habe CDU gewählt, zum ersten Mal“, erzählt sie. „Was die Bundesregierung mit den Rentnern macht, ist nicht in Ordnung. Die Kürzungen der Rente, die geplante Gebühr für den Arzt-Besuch.“ Sie beziehe nur Mindest-Rente, sei „Risiko-Patientin“ und lebe „schon jetzt von der Hand in den Mund“. Ein junger Mann eilt aus dem Wahllokal. Heiko Zastrow ist gelernter Maurer, zurzeit arbeitslos. Er habe „die Nase voll und PDS gewählt“. Doch es gibt auch viele, die „wie immer“ SPD gewählt haben: „Die hier können doch nichts für das Chaos in Berlin.“ Im Café Heider am Nauener Tor: Vier junge Leute wärmen sich mit heißen Getränken auf. Ja, sie seien Potsdamer. Nein, sie hätten nicht gewählt: „Es ändert sich ja doch nichts.“ Der Kreiswahlleiter meldet, dass die Wahlbeteiligung um 14 Uhr erst bei 23,9 Prozent gelegen habe. Das ist weniger als im Landesdurchschnitt, obwohl die Wahlbeteiligung in Potsdam normalerweise darüber liegt. Kein gutes Omen für die Genossen.

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