Landeshauptstadt: Wenn die Löwin Zähne kriegt
Gerhard Harsch, Tiertrainer der Filmtiershow, ist Papa geworden – von Löwenbaby Sabu und Mini-Serval Mogli
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Gerhard Harsch, Tiertrainer der Filmtiershow, ist Papa geworden – von Löwenbaby Sabu und Mini-Serval Mogli Von Sabine Schicketanz Sabu quengelt. Sie quietscht, wie eine schlecht geölte Tür. Gerhard Harsch steckt ihr seinen Zeigefinger in den Mund und setzt einen mitleidigen Blick auf. „Die kommen jetzt aber mächtig durch, die Zähnchen“, sagt er. Die Kleine ist sein Baby, doch ein gewöhnliches Menschenkind ist sie nicht: Sabu ist ein Löwenbaby, gerade drei Wochen alt. Tapsig wie ein kleiner Hund, das Fell fast weiß und ganz flaumig. Seit einer Woche kümmert sich Tiertrainer Gerhard Harsch jetzt um die Mini-Löwin, und das bedeutet jede Menge Arbeit. Sechsmal am Tag muss das Baby gefüttert werden, jedes Mal gibt es eine ordentliche Portion Spezialmilch, die Sabu in Windeseile aus einer Babyflasche nuckelt. Pro Tag, sagt Harsch, kostet ihn das 25 Euro – denn die Ersatz-Löwenmuttermilch wird extra zusammen gemischt und von einem Pharmaunternehmen hergestellt. Eigentlich hatte der Tiertrainer gar nicht vor, noch einmal Papa zu werden. Sieben Löwen hat er schon groß gezogen, der jüngste heißt Zulu, ist mittlerweile ein Jahr alt und hat seine ersten Auftritte vor der Fernsehkamera und im Filmpark Babelsberg schon erfolgreich absolviert. Zu Sabu ist Harsch nur durch einen Zufall gekommen. In einem Tierpark in der Nähe von Gütersloh wollte er Futter kaufen – da war Sabu gerade geboren. Doch die kleine Löwin und ihre vier Geschwister litten unter Durchfall, mussten behandelt werden. Weil Sabu erst nach drei Tagen wieder gesund war, nahm ihre Mutter sie danach nicht wieder an. Und weil Löwen zu einsam sind, wenn sie allein gehalten werden, freute sich Harsch, eine Gefährtin für Zulu gefunden zu haben. Noch können die beiden aber nicht miteinander spielen. Dafür hat Sabu einen anderen Gefährten, der sogar noch eine Woche jünger ist als sie. Mogli heißt der nur Katzenkind-große Baby-Serval, aus dem einmal eine anmutige Raubkatze der afrikanischen Savanne werden wird. „Nach einem Serval habe ich schon fünf Jahre gesucht“, sagt Harsch. Der kleine Mogli hatte ein ähnliches Schicksal wie Sabu – seine Mutter, die ebenfalls in dem Tierpark bei Gütersloh lebt, nimmt keines ihrer Babys an, sie beißt sie tot. Dies sollte mit Mogli nicht passieren, deshalb wurde er seiner Mutter weggenommen und in Harschs Obhut gegeben. Der kümmert sich nun mit seiner Frau Astrid und Tierpflegerin Claudia Blume Tag und Nacht um die beiden Raubkatzen-Babys. „Sie müssen ständig umsorgt werden, wie Kleinkinder.“ Gegen die Schmerzen beim Zähnekriegen schmiert Gerhard Harsch Fenchelöl auf Sabus Kiefer, und überall, wo er hinfährt, kommen die Babys mit. Denn sie brauchen eine Bezugsperson, sie suchen die Körperwärme und müssen gekuschelt werden. Zum Schlafen werden Sabu und Mogli in eine große Transportkiste voller Decken und mit Wärmekissen gelegt. Miteinander spielen wollen die beiden nicht – dazu sind sie noch zu klein. „Und ganz schön wackelig auf den Beinen.“ Lange dauert es aber nicht, bis aus den zwei süßen Baby-Katzen ausgewachsene Raubkatzen geworden sind. Drei Zentner schwer wird Sabu sein, wenn sie erwachsen ist, und schon in drei Jahren wird sie eine „respektable Größe“ haben, sagt Harsch. Serval Mogli wächst nicht ganz so viel, nur etwa vierzig Zentimeter hoch werden die hochbeinigen afrikanischen Raubkatzen. Vergessen, wer sie groß gezogen hat, werden Sabu und Mogli aber nie. „Man ist dann aber kein Papa mehr für die Tiere, man ist ein Freund. Man beherrscht sie nicht.“ Mit Zwang oder gar Gewalt könnte Filmtiertrainer Harsch seine Schützlinge deshalb niemals vor die Kamera, in ein Fernsehstudio oder, wie im Filmpark Babelsberg, vor ein großes Publikum bringen. Stattdessen müssen die Tiere ihm vertrauen. „Wenn sie irgendwo fremd sind, sehen sie: Da geht der Papa hin, da kann ich auch hingehen, da passiert mir nichts“, erklärt Harsch. Das lernen jetzt auch Sabu und Mogli. Einsamkeit müssen die beiden in ihrem neuen Zuhause, dem kleinen „Zoo“ der Harschs in der Nähe von Neustadt (Dosse), auf keinen Fall befürchten. Mehr als 80 Tiere leben dort, schwarze Panter, Pumas, Affen, ein Tiger, Reptilien, Vögel, Hunde, Katzen. Gerhard Harsch muss sie alle lieben, sich voll auf sie einlassen. „Man muss jeden Charakter kennen, jede Gefühlslage erkennen.“ Sonst könne es gefährlich werden, wenn ein Tier beispielsweise vor der Kamera schlechte Laune bekomme und vielleicht zubeißt. Trainer Harsch arbeitet mit allen seinen Tieren: Mit dem Löwen Zulu war er gerade bei Dreharbeiten für einen türkischen Werbesport, sein Tiger Dschandra war jahrelang auf dem Sender Pro 7 zu sehen, in dem Mini-Spot, der vor besonderen Spielfilmen ausgestrahlt wird. Mit einer Gans drehte Harsch eine Werbung für das ungarische Fernsehen, ohne Probleme brachte er dem Vogel bei, einen Fernseher anzuschalten und sich dann davor zu setzen. „Das war ganz leicht, denn die Gans macht alles, was ich mache.“ Wie das funktioniert? „Man muss ein extremes Grundwissen über das Verhalten der Tiere haben und ein extremes Einfühlungsvermögen“ erklärt der Filmtiertrainer. Das habe nicht jeder. „Das ist eine Sache des Gefühls.“ Dass sein Gefühl stimmt, weiß Gerhard Harsch seit 17 Jahren. Damals drehte er den ersten Film mit einem Tier: eine Harsch“sche Vogelspinne kam im Musikvideo von Dieter Bohlen zum Einsatz. Nun hat im Oktober eine seiner vierbeinigen Schützlinge sogar Kinopremiere. Die klein gewachsene Alice – ein pfiffiger, weißer Hund – hat in dem Kinderkinostreifen „Vier Freunde und vier Pfoten“ mitgespielt. Der größte Star unter Harschs Schauspielern aber ist der schwarze Panter Ronja. Er „arbeitet“ seit zehn Jahren für den Filmtiertrainer und ist Rekordhalter, was die Auftritte in Film und Fernsehen angeht. Allerdings könnte Ronja bald Konkurrenz bekommen – wenn Baby-Löwin Sabu und der kleine Mogli als Jugendliche auch nur annähernd so niedlich sind wie heute.
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