SCHÖNBOHM meint: Wenn die Sinne aufblühen

Der Wonnemonat Mai nimmt, wenn wir Jahreszeiten und Monate in der Schule lernen, noch keinen besonderen Platz ein. Erst im Laufe der Jahre entwickelt sich bei uns zu diesem Monat eine persönliche Beziehung. Arglos sang ich in Kindertagen: „Maikäfer flieg, der Vater ist im Krieg, die Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt ...“, wobei mir der Zusammenhang des Textes rätselhaft blieb. Auch dass Bäume „ausschlagen“ sollen, wenn die Blätter im Mai knospen, schien mir seltsam.

Aber auch heute stellen sich wundersame Assoziationen ein. Den griechischen Tragödien aus der Antike möchte ich eigentlich nur auf der Bühne begegnen – heute lesen wir darüber in den Zeitungen und diskutieren uns die Köpfe heiß, weil wir alle betroffen sind; jetzt geht es um die finanzielle Ebene und den Euro, der uns aneinander bindet.

Glücklicherweise lässt sich die Natur nicht überlisten durch ökologische Schwarzmalerei – auch nicht durch Vulkanausbrüche und schwarze Wolken. Denn wie in jedem Jahr grünt und blüht und wächst es bei uns. Alle unsere Sinne blühen wieder auf und in unserem sandigen Boden gedeiht eine sowohl genüssliche wie reinigende Frucht, die wir uns schmecken lassen: der Spargel! Auch die Sonnenstrahlen erwärmen und erquicken uns von außen ebenso wie von innen. Es gehört zu unserem menschlichen Bedürfnis, dass wir vermehrt zueinander streben und die Liebe in uns erwacht.

Auch wenn der 1. Mai diesjährig mit lautem demonstrativem Geschrei begann – und mit einer unwürdigen Sitzblockade endete – überwiegen in unserem Land glücklicherweise diejenigen Menschen, die weniger ein Recht auf Arbeit einfordern als vielmehr selbst ihrer Arbeit pflichtbewusst nachgehen und leben. Entsprechend dem Grundsatz: Carpe diem!

Unser Autor Jörg Schönbohm ist ehemaliger Innenminister des Landes Brandenburg, Senator in Berlin, General a.D. der Bundeswehr und Ehrenvorsitzender der CDU Brandenburg. Er lebt in Kleinmachnow.