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Landeshauptstadt: Wenn Männer den Glitzerfummel für sich entdecken

Fasching bei den Potsdamer Karnevalclubs LKC, PKC und Rot-Weiß Groß Glienicke heißt vor allem: Kein Tabu und keine Schmerzgrenze

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Gross Glienicke/ Drewitz/ Babelsberg -„Das Schöne am Karneval ist die Tabulosigkeit“, strahlt die blondhaarige und berockte Dirne Marcel Kummerow am Samstagabend im Drewitzer Lindenhof. Männer in Frauenkleidern und Büstenhalter, schnauzbärtige Kerle, die ohne Scham in Tutu und Spitzenwäsche den sterbenden Schwan geben – das ist so nur im Karneval möglich. Die Potsdamer Narren machen da keine Ausnahme, zur Freude der Frauen, die die Männerballette der drei großen Karnevalsclubs der Landeshauptstadt mit spitzen Schreien, Pfiffen und viel Applaus anfeuern.

Der männliche Tanzverein des Groß Glienicker Karnevalsclubs Rot-Weiß geht gleich am Anfang des Programms „21 das ist doch Klasse, wir feiern mit der großen Masse“ in die Vollen. Die Herren der Schöpfung geben in der ausverkauften Preußenhalle eine mehrfache Nana Mouskouri mit „Weiße Rosen aus Athen“. Sichtbare Gegensätze sind dabei nicht nur erwünscht, sondern zwingend notwendig: Unrasierte Gesichter, die von den Schwarzhaar-Perücken und schwarzen Brillengestellen nur mäßig verdeckt werden, sorgen genauso für die gewünschten Hysterie-Kickser bei der anwesenden Weiblichkeit wie der wilde Haarwuchs an Bein und Brust, der natürlich nicht von den silbernen Schlauchkleidern verhüllt wird. Die Stimmung ist, wie erhofft, ausgelassen.

Geradezu erschreckend normal geht es beim Potsdamer Karnevals-Club PKC zu. Ein Männer-Ballett, bei dem die Tänzer Hosen anhaben. Die Erklärung: Das Programm ist ein Abriss der letzten 40 Jahre, der PKC feiert in dieser Saison Jubiläum – selbstverständlich vor ausverkauftem Haus im Drewitzer Lindenhof. Nicht immer langte der Potsdamer Narr in den vergangenen Jahrzehnten in die Vollen, das Festtagsprogramm ist auch eine kleine Geschichte des brandenburgischen Faschingshumors. Hausmeister Sepp, die Paraderolle des PKC-Langzeitvorsitzenden Hans-Georg Meyer, hatte es mit seiner Rede anfangs etwas schwer, die durch Absingen der Vereinshymne aufgeheizte Masse für Wortwitz zu begeistern, doch spätestens beim Thema Schwiegermütter und lästige Ehefrauen stand der Saal wie ein „Mann“ hinter den Zoten des Chauvis.

Der Lindenpark – Stammhaus des Lindenpark Karnevalsclub (LKC) ist in dieser Saison Bildungstempel - wobei nicht unbedingt nach geistigen Höchstleistungen gestrebt wird, sondern eher physischer Einsatz gefragt ist: Training der Lachmuskeln, hin und wieder Beweis der Schmerzfreiheit, und dabei nicht das Stemmen von Biergläsern vergessen. Immerhin mit Schüler- oder Studentenausweis gibt es auch am heutigen Rosenmontag Rabatt an der Abendkasse, verspricht LKC–Präsident Folkhart Kaufmann passend zum Schulmotto. Zur „etwas anderen“ Faschingsatmosphäre im Babelsberger Konzert- und Discohaus gehören seit einigen Jahren die LKC–Hoppers. Die Kunst-Sprünge der Trampolin-Sportler wurden ebenso frenetisch gefeiert wie das – beim LKC überraschenderweise – mal höchst „konservative“ Männerballett. In Tutu und weißem Plüsch „pas de deux-ten“ sich die Herren der Schöpfung bis zur Erschöpfung durch den Saal.

Es gibt kein Tabu und keine Schmerzgrenze im Fasching, weder für Zuschauer noch für Aktive. LKC-Präsident Kaufmann hat kein Geheimrezept, wie er die Tollen Tage durchhalten wird. Eins ist sicher, der Karneval ist am Aschermittwoch vorbei, die Nachwirkungen beim einen oder anderen Jecken sicherlich noch nicht.Kay Grimmer

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